Am Heiligen Abend öffnete Wuppertals Stadthalle die Türen ihrer Stube, um jenen Menschen ein Fest zu schenken, die sich selbst kein prachtvolles zu bereiten wussten.
Siebenhundert Besucher feierten auf Einladung von Caritas, CVJM und Diakonie gemeinsam im großen Saal das Ereignis der Geburt Jesus Christus. Wer einsam, arm und obdachlos war, oder sich einfach nur nach einem nostalgischen Ambiente gesehnt hatte, konnte ab 19 Uhr bei leichtem Bühnenprogramm, Spekulatius und Schokoladenkringeln Weihnachten erleben. Auf jedem Platz stand eine verschweißte Essensschale, in dieser Schnitzel und Nudelsalat. Darauf lagen drei halbe Brötchen, mit Wurst und Käse belegt, dazu Saft und starker Kaffee, gemeinsame Lieder, vom Bläserkreis begleitet: Für ein paar Stunden sollten die Sorgen des Alltags vergessen werden.
Man sah die bedürftigen Familien mit den Kindern. Eine Mutter, deren sorgengekrümmten Finger leicht zitternd eine Discount-Zigarette hielt, während ihr Mann im groben Strickpullunder den langen Beinen einer jungen CVJM-Helferin nachsah. Oder den Mittfünfziger, dessen Frau in diesem Jahr gestorben war und der schluchzend berichtete, dass sein geliebter Onkel gerade an diesem Heiligen Abend auch dahin geschieden war. „Man muss bereit sein, umarmt zu werden“, sagte Helfer Eckehard Tautz und stand mit dieser Aussage wie Viele im Saal für gelebtes Christentum.
Auch der wegen Todschlag in Haft Sitzende durfte sich an seinem freien Tag wärmender Gesellschaft sicher sein. Andere, wie die Damen Hildegard Hostery und Anneliesel Lenz hatten sich gemeinsam auf den Weg zur Stadthalle gemacht, weil sie „zwar nicht arm und bedürftig, aber einsam“ gewesen waren. Am Heiligen Abend wollten sie besinnliche Stunden fernab privater Tristesse erleben.
Doch ausgerechnet CDU-Bürgermeister Peter Jung, der einen Teil seiner eigenen, familiären Gemütlichkeit zugunsten der ihm vertrauenden Stadt geopfert hatte, rutschte bei der Verlesung des Grußwortes auf politisch vereistem Terrain aus. Er betonte nämlich, dass wir „im Falle eine Krieges gegen Saddam Hussein selbstverständlich auf Seiten der Amerikaner stehen werden.“ Schließlich hätten wir jenen alles zu verdanken.
Im Angesicht von Obdachlosen, Sozialhilfeempfängern, Drogensüchtigen, Witwen, die sich ohne Stütze ihres Mannes durch den Rest des Lebens bringen müssen, hatten diese Sätze den Hauch von Zynismus. Am Nebentisch standen zwei Russlanddeutsche entrüstet auf und verließen den Saal. Auch wenn spätestens nach Lesung der Weihnachtsgeschichte und einem gemeinsamen „Macht hoch die Tür“ das anfänglich heimelige Flirren wieder spürbar war: Jungs Rede blieb in Erinnerung vieler Gäste. Wer angesprochen wurde, wendete sich zumeist verärgert ab. „Damit möchte ich an Weihnachten nichts zu tun haben.“ Auf der Bühne sang Lore Duwe derweil Zarah Leanders „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“.
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