Junge Menschen sind vom Erwachsenwerden überfordert und geben sich der Zufälligkeit hin. So schaute das Klientel von Paul Austers frühen Romanen aus. In den 80ern wurde er weltweit bekannt mit seiner postmodernen „New York Trilogie“ und dem rätselhaften Coming-of-Age-Roman „Mond über Manhattan“. Später avancierte er zum Bestsellergaranten mit Veröffentlichungen wie „Mr. Vertigo“. Bevor er sich dann, in den vergangenen zehn Jahren erneut der Postmoderne zuwendete. Gerade erscheint sein neues Buch „Sunset Park“. Es ist eine Rückkehr des Autors zu ganz frühen Wurzeln. Aber irgendetwas fehlt.
Vier Kapitalismus-Aussteiger besetzen ein verlassenes Haus in New York. Es tauchen unter anderem auf: Alice, die kaum an ihrer Dissertation sitzen kann, weil sie Teilzeitjobs abarbeiten muss. Außerdem Bin Nathan, der eine „Klinik für kaputte Dinge“ sein Eigen nennt. Und die 27-jährige Teilzeittänzerin Millie Grant, Vegetarierin und Anhängerin etlicher Verschwörungstheorien. Diese obskuren Figuren stellen sich einer höchstpolitischen Frage: Kann der Ausstieg aus dem kapitalistischen System heute noch gelingen? Paul Auster hat zur Beantwortung ein vielschichtiges Setting gewählt, im Umkreis von akademischem Prekariat, Occupy und „Stadt für alle“-Diskurs. Er hat Figuren erdacht, die umständlich beschrieben werden mit Sätzen, die auf Derrida anspielen, auf Guattari, Deleuze, den kompletten Theorieapparat der 60er, 70er Jahre. Was keineswegs schlimm wäre. Man ist dergleichen von Paul Auster gewohnt. Seine Figuren sind immer auch Variablen einer postmodernen Gleichung. Doch in „Sunset Park“ stellt der Autor seine Theorie VOR den Plot, gibt ihr die Handlungshoheit über seinen langatmig konstruierten Roman. „Show! – Don‘t tell“, heisst ein oft zitiertes Diktum US-amerikanischer Literatur. Paul Auster zeigt er aber nicht. Paul Auster erklärt. Weshalb sein Hausbesetzer-Roman „Sunset Park“ trotz interessanter Themenwahl dasteht wie ein Versuchsaufbau im Physikunterricht – bei dem man vergessen hat, den Bunsenbrenner anzustellen.
(Paul Auster, „Sunset Park“, Rowohlt Verlag, 316 Seiten, 19,95 Euro)