Der schottische Autor und ehemalige A&R-Manager John Niven ist mit seinem gehässigen Musikbiz-Roman „Kill your friends“ bekanntgeworden. Danach legte er sich in „Coma“ mit der Golfszene an, und präsentierte in „Gott bewahre“ einen kiffenden Hippie-Jesus.
Überraschend zahm ist dagegen „Music from Big Pink“, Nivens Debüt, das mit Verspätung in Deutschland erscheint – und von der Entstehungszeit des gleichnamigen The Band-Albums erzählt. The Band, 1965 von Bob Dylan entdeckt, spielten einen derart brillanten Rocksound, dass sich die Legende hält, Eric Clapton habe seine Band „Cream“ wegen „Music from Big Pink“ aufgelöst. John Niven stellt nun einen fiktiven Dealer vor, der beim Albumdebüt von The Band eine maßgebliche Rolle gespielt haben soll, und nun aus der weit zurückliegenden Erinnerung plaudert. Der 23-jährige Greg Keltner ist ein Slacker früher Schule, schreibt eigene Songs, kennt sich aus mit iranischem Heroin, verwechselt aber Johann Sebastian Bach mit John Sebastian (von „The Lovin‘ Spoonful“).
Er ist dabei, wenn Bob Dylans Ankunft in der Stadt „Woodstock in den coolsten Ort des Universums verwandelt“, wenn saufende Vietnam-GIs auf ihren Abflug in den Krieg warten, wenn die ersten Takes im Aufnahmestudio eingespielt werden und der seit „Pulp Fiction“ obligatorische Drogenunfall eintritt. „Music from Big Pink“ ist für John Niven-Verhältnisse harmlos (trotz der Drogen, der Sex-Orgien und Andy Warhol). Auch stimmt nicht, was auf der Rückseite zitiert wird: „Kraftvoll geschrieben in einem coolen Stil, der an die Klasse Updikes erinnert“ – auf die Nobelpreisanwärterliste wird der Schotte mit seinem Buch nicht gelangen.
Dennoch ist „Music from Big Pink“ als frühe Rock-Enzyklopädie lohnenswert, als Underdogkomödie und Verliererprosa, mit einem sehr schönen Abswchlussgag Anfang der 80er, als Greg Keltner, der Althippie, aus dem Knast entlassen wird, und sich fassungslos nach einer ganz besonders seltsamen Spezies umdreht, was nach einigem Insistieren zu der unverständigen Frage führt: „Was zur Hölle sind Jogger?“ Rotzige Hommage an die Vor-Aerobic-Ära.
John Niven: „Music from Big Pink“, übersetzt von Stephan Glietsch, Heyne, 226 Seiten, 9,99 Euro