Das Berliner Remix-Festival „Falling in Love“ sucht nach kuscheligen Lösungen für das Netz von morgen. (Dieser Beitrag erschien in der Freitag-Ausgabe 23/15. Foto: Christopher Dombres/Flickr.)
Damit der „Hungerkünstler“ irgendwann nur noch eine Erzählung Franz Kafkas und nicht wie jetzt Realität ist, wird auf EU-Ebene an einem neuen Urheberrecht gebastelt. Feuchter Traum aller Kommissionsmitglieder in Straßburg und Brüssel ist die Vision des „digitalen europäischen Binnenmarktes“. Man muss sich das Ganze als Insel-Internet vorstellen. Auf der Außenseite wüten dann Google und Amazon, kopieren ungefragt Inkunabeln und erpressen kleine Hörbuchverlage. Bewacht von Cherubinen mit Flammenschwertern gäbe es dagegen ein europäisches Urheberparadies, wo jedes geteilte Foto Geld in die Kassen der Künstler spült und selbst bulgarische Popstars von ihrem Liedgut leben können. Der digitale europäische Binnenmarkt sähe dann ein wenig aus wie der Tante-Emma-Laden um die Ecke: Preisschilder, wohin man schaut. Überwachungskameras schrecken Diebe ab – und nur wer ein besonderes Anliegen hat, einen Bildungsauftrag gar, darf sich kostenlos eine Tüte Zucker borgen. Darüber lässt sich leicht spotten. Aber das Anliegen ist ernst.
Wie eine Welt aussehen kann, in der Urheber selbstverständlich für ihre Sachen Geld bekommen, spielt gerade das Berliner Start-up Orbanism durch. Gegründet haben es die E-Book-Verlegerin Christiane Frohmann und Leander Wattig, Deutschlands agilster Berater der hiesigen Buchbranche. Unterstützt vom Hauptstadtkulturfonds findet im August das Festival Falling in Love statt. Schon seit dem 1. Juni kann jeder Berufs- oder Hobbykünstler Musik, Texte, Bilder, Videos zum Thema Liebe auf der Homepage des Festivals einreichen. Diese Sachen werden dann mit einer Creative-Commons-Lizenz versehen. Man kennt diese Lizenz beispielsweise von Wikipedia, wo Texte und Bilder eingestellt werden, die beliebig im Netz geteilt werden können, ohne dass der Nutzer befürchten muss, ein windiger Abmahnanwalt schickte schon bald die vierstellige Kostennote.
In der sogenannten Remixphase des Falling in Love-Festivals kann sich jeder an den Inhalten bedienen. Denkbar wäre, dass auf Basis eines der eingereichten Texte ein Kurzfilm gedreht wird, unterlegt mit ebenfalls unter Creative Commons stehender Musik. Am letzten Augustwochenende werden dann in Bars, Museen und Clubs der Hauptstadt die Ergebnisse gezeigt. Auf Twitter war das Festival bereits Trending-Topic Nummer eins. Die Urheberrechtsspezialisten von iRights sind Partner des Projekts. „Unsere Vision ist, dass man irgendwann nicht nur bei Google nach Bildern suchen kann, die unter einer Creative-Commons-Lizenz stehen“, sagt Leander Wattig, „sondern dass man demnächst auch weiß, was die jeweilige Nutzung des Bilds kostet.“ Denkbar wäre ein Button, mit dem man fünf Cent für die Nutzung eines Bilds im privaten Blog zahlt und 200 Euro, wenn das Foto für ein professionelles Buchcover verwendet wird.
Bislang gibt es nur verschiedene Spezialseiten für einzelne Inhalte, jedoch nicht in dezentraler Form. Die Bilder, Texte und Tracks müssen stets auf einer Seite liegen. Dort muss man sich dann anmelden, Kreditkartendaten hinterlassen, je unterschiedliche AGBs unterzeichnen. „Falling in Love“ will als Experiment durchspielen, wie ein Internet aussehen kann, in dem selbst Youtube-Videos zur Weiternutzung kapitalisiert werden können. In dieser Zukunft wäre die Kunst frei, und doch flösse Geld in die Kassen der Künstler. Ein Traum. Für das Festival müssen die Werke kostenlos eingereicht werden.