“Bloß nie weg vom Rand der Klippe“, war das Lebensmotto des Ex-Rappers „Lazyboy“. Im gleichnamigen Roman von Michael Weins schmiert der Pop-Junge irgendwann böse ab.
Der 35-jährige Heiner Boie aus Hamburg, der sich vor vielen Jahren den DJ-Namen „Lazyboy“ verpasste, ist in der Popkulturschleife seines Slackerlebens gefangen. Das „charmante Arschloch“ schreibt fürs Lifestylemagazin „brünett“ – ja, man darf jetzt an „Blonde“ denken. Popsongs langweilen ihn – das erinnert an Eric Pfeils Tagebücher „Komm‘, wir werfen ein Schlagzeug in den Schnee“. Er ist emotional gebunden an die lockige Monika, die ihn schon bald heiraten will. Das wiederum sieht aus wie eine Beziehungskomödie mit Hugh Grant oder Ashton Kutcher. Nur ist „Lazyboy“, der inzwischen dritte Roman des gebürtigen Kölners Michael Weins, wesentlich abgedrehter als eine Kinokomödie für Popcornsüchtige. Denn Heiner Boie kann binnen Sekunden entfernteste Welten besuchen – indem er einfach durch eine Tür geht. Wenn er also vor seinem Arzt sitzt und gesteht: „Ich bin zum ersten Mal hier“, spricht er nur aus, was seit einiger Zeit typisch für seinen Alltag ist.
Immer wieder passiert der Popjournalist eine Tür und muss feststellen, dass er just von den Frühstücksvorbereitungen daheim wie durch ein Wunder in einem Möbelhaus gelandet ist – inklusive Butterbrotbrettchen auf den Knien, oder im Wald oder in Bargfeld, wo früher der nicht weniger abgedrehte Schriftsteller Arno Schmidt lebte. Woran liegt‘s, dass Lazyboy reisen muss? An Pillen, Koks und Kaktus – den Stimulantien seiner zurückgelassenen Jugend? Oder beabsichtigt er, aus der drohenden Ehezweisamkeit schleichen? Gesteht Lazyboy doch: „Was ich will, ist dauerhaft möglichst wenig Verantwortung im Leben.“ Eine Psychiaterin soll helfen und kommt der Lösung ziemlich nahe – da geht Lazyboy durch die falsche Tür, landet bei einer hochbegabten 13-Jährigen und die Story beginnt noch einmal neu.
Das hochbegabte Mädchen heisst Daphne, hat einen beeindruckend hohen IQ von 173 und ebenfalls ein Türenproblem. Bei ihr ist es zwar nur eine Tür, die im Keller lagert. Aber durch diese Tür gelangt man in ein komplett neues Universum, das sich „Beek“ nennt, was erstmal mittelniederdeutsch für „Bach“ ist – und auch einen Bach führt, der zwei Ortschaften teilt wie Herzogenaurach geteilt wird in Puma und Adidas (in einem Slackerroman darf dieser Vergleich erlaubt sein). Was fehlt ist ein „Mittler“ zwischen diesen beiden „Beek“-Welten, ein Wiedervereiniger. Der soll ausgerechnet „Lazyboy“ sein, der wie ein Ritter mittelalterlicher Sagen in Beek auszieht, eine Heldentat zu vollbringen. Michael Weins gelingt ein mehrseitiges Fantasy-Abenteuer, das aus ganz vielen Dopplungen, Spiegeln und simulierten Welten besteht: „Matrix“ trifft „Alice im Wunderland“, trifft „World of Warcraft“.
Am Ende hat man das Gefühl, eine Kaktusfarm gegessen zu haben – nach einem Abenteuer, das die halbe Mythenwelt verarbeitet, vom griechischen Minotaurus bis zu Douglas Adams‘ „Per Anhalter durch die Galaxis“. Das klingt nach zu viel Stoff? Michael Weins hat alles im Griff. Das macht „Lazyboy“ zum relativ leicht lesebaren Abenteuer für Freunde von Philosophie und Fantasy.
Michael Weins: „Lazyboy“, Marisch, 334 Seiten, 18,90 Euro