Der „Umzugsroman“ von Jens Schäfer erinnert noch einmal an die schönsten Augenblicke der Fußball-WM 2006 in good, old „Schlaaand“.
„Zwei Tage später erst erfuhr ich, dass Zidane in der 110. Minute seinen Gegenspieler Materazzi mit einem Kopfstoß gegen den Brustkorb niedergestreckt hatte und vom Platz gestellt worden war. Als Erklärung gab er später an, Materazzi habe wiederholt seine Mutter und seine Schwester beleidigt. Ich verstand ihn sofort. Auf die Familie lässt man nichts kommen.“ Mit diesen Worten endet der charmant komische „Umzugsroman“ von Jens Schäfer. Nach dem „Uniroman“ von Manuel J. Hartung und wenige Wochen vor Veröffentlichung des Praktikantenromans „Zwölf Stunden sind kein Tag“ des Berliners Boris Fust überrascht Jens Schäfer mit dieser elegant verfassten Urlaubslektüre.
Als Rudelgucken noch „Public Viewing“ hieß und Deutschland kurzzeitig kein Synonym für Rumpelfußball war, beschließt der junge Lehrer Lennart, „endlich im richtigen Leben anzukommen.“ Er möchte in einen Vorort von Freiburg ziehen, zu Freundin Susanna und ihrem Sohn Franz. „Am Samstag würde eine Ära zu Ende gehen.“ Dann würde er die WG verlassen. Kumpel Toni müsste morgens ohne ihn in die Kaffeetasse schweigen und der schöne TV-Rhythmus „mittwochs Champions League und sonntags Tatort“ wäre auch passé. Der Plan klingt von Seite eins an unausgegoren, nicht wirklich sexy, zumal Susannas Ex auf einmal am Start ist und das Neue schlagartig zweifelhaft wird. Schafft Lennart den großen Schritt ins private Lebensfinale? Wird er ganz sicher nicht scheitern, vorm Tor, beim entscheidenden Elfmeter?
Zur Einordnung des „Umzugsromans“ bietet sich ausnahmsweise das Amazon-Internetportal an: „14 Prozent der Kunden, die sich diesen Artikel angesehen haben kauften Irgendwie, Irgendwann von Verena Carl und 8 Prozent kauften Generation Doof – Wie blöd sind wir eigentlich?“ Irgendwo zwischen 80er-Jahre-Romanze und zusammengegoogelter Web-2.0.-Welt bewegt sich auch Lennart, der leicht konfuse Held. Er könnte durchaus Leser seines eigenen Romans sein.
Denn Jens Schäfer beschreibt diesen knuffigen Durchschnittsmann, der wie ein Kinofilmpartner Katja-Riemanns daherkommt, mit eben so viel Unaufdringlichkeit wie Unaufgeregtheit. Sein Roman wirkt, anders als Lennart, ziemlich souverän. Diese Souveränität ist ein Grund mehr, sich nach der Lektüre auch „Echte Männer. Ein Leben im Verborgenen“, die vorhergegangene Veröffentlichung des 1968 geborenen Schriftstellers, anzuschauen. Jens kann eine Menge. Übrigens: Niemanden würde es wundern, wenn es den Autor nach seinem Umzug von der „Piper Boulevard“- zur „Piper Original“-Reihe schon bald Richtung „Piper Belletristik“ locken würde.
(Jens Schäfer: „Umzugsroman“, Piper, 200 Seiten, 10 Euro)