Zinos möchte, wie so viele Männer, gut kochen können, ein perfekter Liebhaber sein und aussehen wie Al Pacino. Jasmin Ramadan erzählt mit “Soul Kitchen” die Vorgeschichte zu Fatih Akins gleichnamigem Film. Immer verknallt sich Zinos in die falsche Frau und wenn er doch mal in die Nähe eines Luxusmädchens gelassen wird, kann man sicher sein, dass er es verpatzt. Ganz anders als Ilias, sein großer Bruder und Fixstern während der bitteren Erwachsenwerden-Phase. “Was andere von ihm dachten, war tatsächlich etwas, das Zinos ziemlich verunsicherte.”
Deshalb beschließt er, ein anständiger Kerl zu werden, mit Geld und Mädchen und allem Drum und Dran. Er plant, als Koch nach oben zu kommen. Das gestaltet sich anfangs ein bisschen schwierig. Zinos schafft es nicht, rechtzeitig aufzustehen und verknallt sich mal wieder in das falsche Mädchen – doch er bekommt eine zweite Chance: sofern er sich zusammenreisst. Das sagt ihm Udo Pavese, sein Chef, der aber ahnt, dass bei Zinos Hopfen und Malz verloren sind. Nachdem Zinos endlich zur Ausbildung in Udos zwielichtiger Kiezpizzeria zur Ausbildung angenommen wurde, lernt er in der Berufsschule bei einer verrückten Lehrerin für Warenkunde “alles über Einsalzen, Pasteurisieren, Kandieren, Trocknen, Einkochen, Einmachen, Einlegen in Essig, Alkohol, Zuckersirup, das Kühlen, Einfrieren, Vakuumieren, Räuchern und Pökeln aller erdenklichen Lebensmittel.”
Das beschreibt ungefähr auch die Art und Weise, wie Jasmin Ramadan ihren Selbstfindungstrip eines verlorenen Hamburger Jung‘ anrichtet: Sie konserviert die Jugend, wenn Zinos seinen Bruder Ilias vergöttert, obwohl der bereits seine ersten Verurteilungen hinter sich hat. Sie kandiert das Gefühl unerwarteter Küsse (wenn Zinos plötzlich von der Ex seines Bruders angebaggert wird). Sie kühlt die Temperatur ab, als Zinos einmal auf hoher See in Lebensgefahr gerät. “Soul Kitchen” ist ein Roman über süße Früchte und gefrorene Gefühle – und ganz viel Essen. Und immer wieder: Ein Roman über die falsche Frau. Das wird schon klar, als Zinos die neue Freundin seines Bruders kennenlernt. Katharina ist ein höheres Töchterin mit Leidenschaft fürs Klauen. Zweiundzwanzig und ein bisschen dünn: “Von ihr ist nur so wenig über wegen den Drogen, aber sie ist da jetzt von runter. Kifft nur noch, und koksen is nur noch beim Ausgehen, hat sie versprochen, Digger. Sie hat bestimmt schon hundert Gramm zugenommen.”
Das ist ein beachtlicher Schritt, denn vorher hatte sie Katharina noch das volle Programm gegeben. “Alkohol, Koks, hat `n bisschen Heroin geraucht, Tabletten von Mutti.” so schauen höchst gefährliche Frauen in Romanen aus: lasziv, männermordend, lebenssüchtig, egozentrisch. Zum Niederknien. Katharina ist die perfekte Femme fatale. Sienwird Zinos noch einige Probleme bereiten. Und gegen Probleme muss man sich wappnen. Am besten Fall mit der richtigen Uniform. In Zinos Fall ist das “eine Lederjacke mit Fellkragen. Zinos hatte sich nie besonders viele Gedanken um seine Kleidung gemacht, aber diese Jacke erinnerte ihn an Sylvester Stallone, Al Pacino, Robert De Niro, Prince! Sie alle würden die Jacke tragen, sie alle hatten irgendwann so eine Jacke getragen.” Die Lederjacke schenkt ihm Uwe zum Ausbildungsstart. Sie soll Zinos beschützen, sein Panzer sein. Genau den wird Zinos irgendwann brauchen, als Udos Laden schließt und der Jungkoch als Bordellverköstiger ein paar Straßen weiter zieht, zu einem George Michael verehrenden, schwulen Luden – wo er schnell eine neue Frau, Jennifer, kennenlernt. Der ausnahmsweise Zinos das Herz bricht, nicht umgekehrt.
Denn nach der ersten Nach wird Jennifer ihn noch im Bett ein zartes Geständnis machen: “Ich habe mich in dich verliebt.” – “Quatsch, das denkst du nur.” – “Wieso sagst du das? Das ist gemein.” – “Ey!, Jennifer, mach uns nicht unglücklich.” “Wir sind doch sowieso unglücklich. Ich wäre in Zukunft lieber mit dir als ohne dich unglücklich.” Ist das nicht wunderschön, und traurig und wahr? “Soul Kitchen” ist eine Reise ans Ende der Liebe, der Jugend – und der Welt, ein Reiseroman, eine Kiezkomödie, ein Rezeptbuch – und die Vorlage zum neuen Film von Fatih Akin. Also: Eine ganze Welt.
Jasmin Ramadan: „Soul Kitchen. Der Geschichte erster Teil“, Blumenbar, 240 Seiten, 14,90 Euro