Autor, Fotograf und Filmemacher Severin Winzenburg ist ein globalisierter Typ. Er wurde 1978 in Starnberg geboren, wuchs danach in München, Kalifornien, Griechenland und Indien auf. Sein Romandebüt „Still Tage in L.A.“ spielt in Deutschland und den U.S.A. – ein SMS-Interview.
Die beiden Filmhochschulfreunde Nik und Tim fliegen nach Los Angeles, rasen teure Miet-BMWs kaputt und treffen auf hippen Partys Mädchen, die sich wie Highschool-Gierlies aufführen. Schnell gecheckt: Dieses Buch ist schnell, jung-pop-affin, mit Sätzen, die bleiben: „Unter der Rubrik ‚who I want to meet‘ hatte sie geschrieben: ‚ want to meet the people, when they were little.‘ Oder auch: ‚Ich hasse es, wenn Mädchen nach dem Motto agieren: Hey, ich würde dich gern sehen, aber ich muss leider noch mein Bücherregal sortieren.‘ Da Handy-Kurzmitteilungen einen wichtigen Raum im Roman einnehmen, war Severin Winzenburg zu einem SMS-Interview bereit.
Du schreibst einen Roman und drehst Filme (wie Autor und Regisseur Benjamin Quabeck mit „Nichts bereuen“ z.B.). Wie sähe „Stille Tage in L.A.“ als Film aus? (Donnerstag, 22.14 Uhr, drei Stunden später) Akku war leer. Der Film wäre eine Mischung aus „Where The Buffalo Roam“, „Dazed And Confused“, „Philadelphia Story“, „The Party“ und „Curb Your Enthusiasm“. Deine Kapitel sind kurz wie Videoclips, die Figuren kommunizieren häufig über SMS, alles wirkt sehr schnell und komprimiert. Warum? (Freitagnacht, 00:23 Uhr) Im Buch erscheint die „alte Welt“ als Traum, der nicht mehr zugänglich erscheint. Die knappe Form schien mir ein geeignetes Mittel, dies zum Ausdruck zu bringen (Zugänglichkeit ist ein großes Thema im Roman. Schon auf der ersten Seite geht Tims Handy-PIN verloren – und mit ihm die wichtigste Telefonnummer eines Mädchens, später fehlt die EC-Kartennummer).
Hast Du eine Lieblings-SMS-Abkürzung? Ich benutze gar keine Abkürzungen…lol… (Ein typisches SMS-Phänomen, nicht nur bei Severin Winzenburg, sind die drei Punkte zum Abschluss. bei einem Interview am Cafétisch würde der andere nun an einer Zigarette ziehen oder einen Schluck aus dem Bierglas nehmen, natürlich: nachdenklich). Dein Roman arbeitet mit typischen Pop-Phänomenen, dem jugendlichen, liebeskranken Helden, Markennamen, einem coolen Setting. Warum ist es dennoch keine Popliteratur? (Freitag, 23:23 Uhr) Was ist Popliteratur? (Das war eine Fangfrage. Schon Bret Easton Ellis, amerikanischer Autor von „Unter Null“ und „American Psycho“, Begründer der modernen Popliteratur, hat einmal behauptet, er kenne den Begriff nicht.)
Weshalb taucht die Band „She Wants Revenge“ in Deinem Buch auf? (Freitag, 12:36 Uhr) Justin, der Sänger, ist ein alter und sehr guter Freund. In welcher Form wirst Du denn von ihm, vom Indie-Bands überhaupt, beim Schreiben beeinflusst? (Freitag, 14:08 Uhr) Zum Schreiben inspiriert mich die verschiedenste Musik – ich höre aber keine Musik während ich schreibe. Eher denke ich an ein Lid und dieses Gefühl inspiriert mich. Manchmal höre ich auch unmittelbar vor dem Schreiben etwas, um eine bestimmte Stimmung zu verstärken. Und in welcher Form hat Dich Henry Miller beeindruckt? (Der Titel „Stille Tage in L.A.“ wirkt wie eine Anspielung auf „Stille Tage in Clichy“, 1956 von Henry Miller veröffentlicht. Die erotische Novelle spielt natürlich nicht in Kalifornien, sondern im Paris der 1930er Jahre). (Freitag, 16:23 Uhr) Als ich das Buch schrieb, hatte ich Miller nicht im Kopf. Ich denke, dass der Titel in Bezug auf mein Buch ähnlich ironisch funktioniert, wie das auch bei „Stille Tage in Clichy“ der Fall war, faktisch das Gegenteil vom Inhalt behauptet, aber atmosphärisch auf eine seltsame Art und Weise doch trifft.
Gilt der „Spice-Girls-Effekt“ auch für Männer? (Im Roman schreibt Severin Winzenburg: „Der Spice-Girls-Effekt besagt ja, dass fünf durchschnittliche Mädels zusammengenommen sehr attraktiv sind.“ Wichtig für die Partyclique!) (Freitag, 17:27 Uhr) Keine Ahnung, ich weiß nicht mal, ob er wirklich für Frauen gilt. Ich würde Tim nicht alles glauben… Weiß Du schon, wo Du feiern möchtest, nachdem Du 1LIVE besucht hast? (In „Stille Tage in L.A.“ treffen sich die Freunde unter anderem in der Münchner Bar „Harper’s & Queens“, im „Atomic“-Club oder auch im „Pacific Design Centre“ von Los Angeles, dessen Fassade minütlich die Farbe wechselt.) (Freitag, 19:09 Uhr) Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Am besten entwickelt sich einfach etwas aus der Situation. Vielleicht geht’s ins Kölner „Bootshaus“ oder nach Essen, zum „Hotel Shanghai“…
Severin Winzenburg: „Stille Tage in L.A.“, KiWi, 290 Seiten, 8,95 Euro
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