Als Adolf Hitler im Sommer 2011 aufwacht, stellt er enttäuscht fest: „Der Deutsche der Gegenwart trennt seinen Abfall gründlicher als seine Rassen.“ Ist der Debütroman von Timur Vermes überhaupt noch tragbar?
War Adolf Hitler jemals weg? Täglich taucht er auf, in Zeitschriften, BILD-Zeitungen, zwischen Schlagerstars und Außerirdischen. Es gibt Berichte über nationalsozialistische Ufo-Projekte und Sondersendungen mit absurden Titeln wie „Hitlers Helfer“ oder „Hitler – Eine Bilanz“. In der Türkei warb ein Shampoohersteller mit dem „Größten Feldherrn aller Zeiten“ (kurz: GröFaz) und in Indien nannte sich ein Modegeschäft bis vor Kurzem „Hitler“, inklusive Hakenkreuzlogo als „i“-Punkt. Es hitlert also gewaltig im Jahr 2012. Mit Timur Vermes‘ Debütroman „Er ist wieder da“ wird dieser Manie ein groteskes Stück hinzugefügt. – Sommer 2011: Adolf Hitler wacht unversehrt neben einem Berliner Bolzplatz auf. Er ist verwirrt, ruft einem der spielenden Kinder zu: „Hitlerjunge Ronaldo! Wo geht es zur Straße?“, woraufhin er seltsam beschimpft wird, nach Art der Zeit: „Ey Alter, kieck ma! Wat’n det für’n Opfa?“ Das „Opfa“ ist, unverkennbar, ungeschminkt: Der wiederauferstandene Diktator, der nun wie ausgebombt im modernen Berlin umherirrt und schnell versteht, dass er sich tarnen muss, um sein so genannte „Endziel“ doch noch zu erreichen.
Denn während alle anderen glauben, hier habe sich jemand verkleidet, weiss Adolf Hitler sehr wohl, wer er ist – und welches Potential in ihm steckt. Beim Anblick eines Poliers, der seinen Baustellenuntergebenen anraunzt, wird ihm klar: „Es gab sie noch immer, die brutale, schlichte Masse, ich musste sie nur erwecken.“ Aber wie? Hitler findet Obdach bei einem Kioskbesitzer, wird später vom Fernsehen entdeckt und avanciert, ausgerechnet: zum Comedystar. – Bizarr ist, dass sich Hitler selbst auf der Siegerstraße wähnt, in den Fernsehproduzenten willfährige Propagandisten sieht, und in seinen Ansprachen nichts Humoristisches erkennen mag. Perfiderweise ähnelt er damit so vielen Berufspolitikern, die gar nicht mehr merken, wie sie sich zum Affen machen – beispielsweise die Jungs der rechtsnationalen NPD, die im Roman von Hitler besucht, jedoch als Schwachköpfe ersten Ranges abqualifiziert werden. „Ein Haufen Waschlappen. Nur so viel: Ein anständiger Deutscher hat hier nichts verloren.“
Die ganze Nummer gelingt, weil sich Produzenten und Hitler einig sind: „Die Sache mit den Juden ist nicht witzig.“ Allerdings meinen sie es unterschiedlich. – Ist das witzig? Dass Hitler satirefähig ist, hat Komiker Charlie Chaplin bereits 1940 im Kinofilm „Der große Diktator“ bewiesen. 1998 zeichnete Walter Moers seinen „Adolf“-Comic. Die „<span class=“wsLangEn“ lang=“en“>Switch Reloaded</span>“-Versionen mit Bürotyrann Adolf Hitler auf dem Obersalzberg funktionieren. Timur Vermes Roman erinnert an die Hitler-Groteske „Die Schmidt Memoiren“ von Woody Allen, an Shalom Ausländers „Vorsicht, bissiger Gott“ oder auch Oliver Polaks „Ich darf das, ich bin Jude“. Auch bei ihm darf frei heraus gelacht werden.
Hitler ist bei Vermes eine lächerliche Figur, noch mehr Narziss als Nazist, ein Wahnsinniger, der nicht einmal erkennen mag, wie wenig er hineinpasst in unsere deutsche Gegenwart. Der Nationalsozialismus ist in diesem Roman vor allem ein ästhetisches Problem. Nazis sind hässlich. Nazis nerven. Nazis sind nicht einmal originell. Sie klingen wie Motivationstrainer: „Man muss alles mit ganzer, mit fanatischer Entschlossenheit machen!“ Oder wie renitente Hundehalter, die gegen den Leinenzwang protestieren, indem sie gelbe Sterne mit der Inschrift „Hund“ tragen. „Er ist wieder da“ kommt daher als humorvolle, kluge 390-Seiten-Debatte der immer gleichen Frage, „wat’n det für’n Opfa?“ sei. Überraschend geschmackssicher.
Timur Vermes: „Er ist wieder da“, Eichborn, 400 Seiten, 19,33 Euro, Hörbuch, gelesen von Christoph Maria Herbst, Lübbe Audio, 6 CDs, 411 Minuten