Dietmar Dath, Ex-Chefredakteur des Popmagazins “Spex“ ist Marxist, Science-Fiction-Nerd und Feuilletoncrasher, “Schreibmaschine“ (laut “de:Bug“), Naturwissenschaftler, Ironiker, Sprachgenie – und ein beeindruckender Romancier, wie es „Sämmtliche Gedichte“ ein weiteres Mal beweist.
Dietmar Dath ist auch ein hoffnungsloser Romantiker, der für Menschenwürde eintritt, gegen die Regierung des Geldregens, gegen die vielen Liebestabus unserer Zeit (Schwule tauchen nur auf als Klischee, Sex ist von der Werbung her nur für Menschen unter 60 gedacht etc.), gegen das Fehlen von Gefühlen und Fühlbarem. Sein neuer Roman, der als “Sämmtliche Gedichte“ (altertümlich mit zwei “m“!) daherkommt, erzählt vom Dichter Adam Sladek, der die Welt romantisieren, der im Maschinenwinter unserer Zeit für eine höhere Wahrheit einstehen will – und auch hier, wie die Helden in “Thaddeus und der Februar“, wie Alice Bitler in “PopCo“ von diabolischen Mächten behindert wird.
Einer der (An-)führer besagter Mächte, denen die Welt gehört, weil sie durch ihren Reichtum eben alles besitzen ist der diabolische Millionär Kreuzer, der Sladek in sein Landhaus einlädt, um dort zu wohnen, zu arbeiten, zu leben; um ihn tatsächlich jedoch auszunutzen, in ein perverses Menschenexperiment, “schlimmer als Scientology“ zu stecken, um aus ihm eine neue Art zu züchten.
Somit ist dieser Adam des 21. Gentechnik-Jahrhunderts ein direkter Nachfahre des biblischen Adam, also auch ein “erster Mensch“, der hier einem durchgeknallten Wissenschaftler gegenübersteht, dessen Name Kreuzer nicht nur auf Geld, sondern auch auf eine Fortpflanzungsweise (das “Kreuzen“ von Genmaterial, siehe Bio-LK) anspielt. Aus diesen Fängen will sich Adam nun befreien, und es gibt, wie könnte es denn schöner sein, nur einen richtigen Ausweg: Die Liebe, der Anstand, das Gefühl und das Zusammengehörigkeitsgefühl einer unterdrückten Masse. Großartiger Roman eines wirklich großen Autors. Dietmar Dath, besser denn je.
Dietmar Dath: “Sämmtliche Gedichte”, Suhrkamp, 282 Seiten, 22,80 Euro