Der Hipster ist tot und wurde längst in den wissenschaftlichen Kanon aufgenommen. Nach dem Hipster Wintercup 2013, dem Hipster-Café-Debüt 2012 und der großen Hipster-Debatte kommt nun der Hipster-Roman „Strawberry Fields Berlin“ vom „Versverfertiger“ Julian Heun.
„Deutschlands junger Poetry-König“ (Spiegel Online). „Bleich wirkendes Bürschlein mit unerhört poetischer Kraft“ (NZZ). „Ein Wunderkind.“ (Sarah Kuttner). Im Netz und auf dem Klappentext überschlagen sich die Stimmen zum ersten Roman des 23-jährigen, mehrfach ausgezeichneten Slam Poeten Julian Heun. „Strawberry Fields Berlin“ erzählt parallel vom dem Berliner Boulevardjournalisten Schüttler und dem Indien-Aussteiger Robert, der seiner Verflossenen hinterherreist: Eine Geschichte über die ironische Kälte der Hauptstadt und die erdverbundenen Wärme auf der anderen Seite der Welt. Schnell wird klar: Robert und Schüttler sind ein und die selbe Person, zwei Möglichkeiten eines Lebensentwurfs.
Als Berliner Journalist ist diese Figur ein engherziger, spießiger, von Hass erfüllter Feind des modernen Lebens. „Ich hasse Schokorosinen, ich hasse überhaupt viel. Und nicht nur das – ich hasse gerne.“ Was nicht medial verwertbar oder in sein erotisches Konzept passt, wird fertiggemacht. Androgyne Jutetaschenträger sind Hipstermongos Szenebehinderte, erst in den Strawberry Fields von Indien, wie John Lennon sie einst besang, wird der Ekelmensch pseudotolerant: „Dann schiebt sich aus den Palmwedeln ein dreckiger, pummliger Junge hervor und grinst gewaltig. Er ist auf eine nette Art behindert, vielleicht mongoloid.“
Es ist deutlich, worauf Julian Heun hinauswill. Wer in ironischer Pose verharrt, Stalin und Jeff Koons auf abstruse Weise miteinander vergleicht, sich über das In-Mixgetränk des Sommers und die eigene Herausgehobenheit definiert, dem reicht auch keine Fernreise, der musst notwendigerweise abschmieren. „Nothing is real and nothing to get hungabout“, so steht es im Strawberry Fields Forever-Songtext und genau diese Erfahrung wird auch Robert Schüttler machen. Nur, kann das funktionieren, Ironie mit ironischen Mitteln zu demaskieren?
Phasenweise steht immer wieder ein anderer Verlag für die „junge deutsche Literatur“. Mal sind es größere (KIWI mit Benjamin von Stuckrad-Barre, Christian Kracht, Marc Fischer, Benjamin Lebert Ende der 90er) oder auch kleinere Häuser (Blumenbar mit Anna Zielke, Raul Zelik, Alexander Schimmelbusch, Jasmin Ramadan Mitte der Nuller Jahre). Seit 2011 steht Rowohlt auf einmal blendend da und begeistert mit Albrecht Selge, Andreas Stichmann (der im Guten von Mairisch aus gewechselt ist), Wolfgang Herrndorf, Markus Berges – und Julian Heun versucht nun, an die Eleganz der anderen anschließen. Er spielt als Jüngster in einem Champions-League-Team. Noch mag er auf der Bank sitzen. Aber schon beim nächsten Spiel könnte er das entscheidende Tor treffen: ganz unironisch. – Und noch mehr Slammer gibt es hier: Wer Nora Gomringers grandios gestalteten „Monster Poems“ nicht kennt, der hat was verpasst. Für die „leichte Muse“ hat Kollege Mischa-Sarim Vérollet (2009 ausgezeichnet für den skurrilsten Buchtitel) gerade seinen neuen Slamband „Irgendwas mit Menschen“ vorgelegt, nicht zu verwechseln mit dem 2012 erschienenen Buch „Hauptsache nichts mit Menschen“ von Paul Bokowski.
Julian Heun: „Strawberry Fields Berlin“, Rowohlt, 224 Seiten, 18,95 Euro