Kommerz und Kampf bestimmen ebenso den Profisport wie die Kriegsindustrie. Debütant Ben Fountain denkt beides zusammen. „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ beschreibt eine Promo-Reise mehrerer US-amerikanischer Soldaten durch die Footballstadien ihrer Heimat, begleitet von Presseoffizieren, Filmproduzenten, Kriegsgroupies. Ein tougher Roman über die seit jeher zusammenstehenden Phänomene Krieg, Geld und Leibesertüchtigung.
„Ich weiß nicht, was ich Euch sagen soll, Männer. In drei Minuten beginnt die größte Schlacht unserer Profilaufbahn. Heute wird sich alles entscheiden. Entweder bestehen wir als ein Team oder wir zerbrechen. Stück für Stück. (…) Bis wir am Ende sind. Wir stecken knöcheltief in der Scheiße, Männer, das könnt ihr mir glauben. (…) Wir kämpfen hier um jeden Zentimeter. Für ein paar Zentimeter zerreißen wir uns selbst und jeden, der dazugehört in Stücke. Wir krallen uns mit den Fingern in die Erde – für jeden Zentimeter. Weil wir wissen, wenn wir die Zentimeter zusammenzählen, die wir geholt haben, ergibt das am Ende den verdammt wichtigen Unterschied zwischen gewinnen und verlieren. Mehr noch: zwischen Leben – und Tod. Ich sag’ Euch eins: In jedem Kampf gewinnt nur der, der für ein Stückchen Erde sein Leben einsetzt. Und ich weiß, das noch Leben in mir ist, solange ich bereit bin, für dieses Stückchen zu kämpfen und zu sterben.“
Diese inzwischen ikonographische Ansprache des Footballtrainers Tony D’Amato in Oliver Stones‘ martialischem Kinoepos „An jedem verdammten Sonntag“ erinnert nicht zufällig an die Predigten, Hetz- und Motivationsreden „großer“ Herresführer vor der ihrer Ansicht nach „alles entscheidenden Schlacht“. Das Sportsystem ist von Kriegsmetaphorik durchsetzt, wo „Chinesen abgeschossen“ und „Kriegserklärungen“ an Ex-Clubs ausgerufen werden (hier gibt es einen Text über „That Old Sports-as-War-Metaphor„).
Was sich Debütant Ben Fountain in seinem Debütroman „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ einfallen lässt ist längst bekannt. Er verbindet Krieg und Sport, indem er eine Horde Irak-Veteranen auf Promotour durch die Vereinigten Staaten von Amerika reisen lässt: „Eine Nation, zwei Wochen, acht amerikanische Helden, die Bravo-Squad.“ Die Truppe wird von den Leuten als Popstars empfangen. Sie werden wie Footballhelden gefeiert; was sie extrem genießen – bis sie dann auf echte Footballhelden treffen.
Im Irak haben die Soldaten immer Angst gehabt, dass sie erschossen werden. In der Heimat wird aber so getan, als hätten sie einen coolen Actionfilm gedreht. Das wird ihnen klar, als die Quartebacks fragen, ob sie nicht einfach mitkommen dürfen in den Irak, um Moslems abzuknallen; sie würden es sogar kostenlos machen. Das ist der Augenblick, wo Kriegs-Realität und Kriegs-Propaganda besonders krass aufeinanderprallen. Die Sportler sehen nur, wie die Soldaten von den Girls bewundert und bejubelt werden. Außerdem denken sie, dass Football-Spielen ebenfalls eine Art Krieg sei. U
Das hat viel mit der oft beschriebenen Kriegsbesessenheit in den USA zu tun, mit der Idee, dass Sport die Weiterführung der Schlacht mit anderen Mitteln sei. Bevor man „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ liest, lohnt es sich, den Film „An jedem verdammten Sonntag“ anzusehen. Beispielhaft zeigt Fountain, wie pervers das Verhältnis zum Krieg in Teilen der USA ist. Das Buch ist, genauso wie der Film von Oliver Stone: schnell, laut und stressig; als ob man neben einem Panzer stehen würden.