Jonathan Franzen, dem 2001 mit „Die Korrekturen“ ein fulminanter Welterfolg glückte, legt jetzt seinen neuen, kontrovers diskutierten Roman „Freiheit“ vor. Anhand einer Volvo fahrenden Mittelstandsfamilie aus dem Mittleren Westen Amerikas beschreibt er, wie unser modernes Leben durch die Terroranschläge vom 11. September 2001 immer weiter zersplitterte und gleichzeitig die Sehnsucht nach Sicherheit gewachsen ist
„Überall ist es dasselbe Problem. Es ist wie das Internet oder das Kabelfernsehen – nirgends gibt es ein Zentrum, es gibt keine gemeinschaftliche Übereinkunft, nur noch Trillionen kleiner Fetzen Lärm, die einen ablenken. Nie können wir uns hinsetzen und ein nachhaltiges Gespräch führen, alles ist wertloser Ramsch und eine Scheißentwicklung. Alles Echte, alles Athentische, alles Ehrliche, das stirbt aus. Geistig und kulturell flitzen wir nur herum wie ziellose Billardkugel und reagieren ziellos auf die neuesten Reize.“ Der naturverbundene Walter, der „grüner als Greenpeace“ daherkommt, zweifelt an einer Welt, die sich, im Gegensatz zu ihm wenig um aussterbende, von Hauskatzen und Windkrafträdern zerschredderte Singvögel, doch viel um narzisstische Bühnenstars kümmert – sein bester Freund Richard, der bezeichnenderweise mit Nachnamen „Katz“ heisst, wird ein erfolgreicher Popsänger und ist zunächst eingespannt in Walters Umweltprojekt, bevor er dessen Frau Patty, eine einst erfolgreiche Basketballspielerin, verführt.
„Die Welt belohnt nicht Ideen oder Emotionen, sie belohnt Integrität und Coolness“, sagt Walter irgendwann über Richard. „Und deshalb traue ich ihm nicht. Er hat alles so eingerichtet, dass er immer auf der Gewinnerseite ist.“ Er ist der moralische Held dieses Romans, der sich später aber von der Kohleindustrie ausnutzen lässt. Sein Sohn Joey zieht als Collegeschüler zu den Nachbarn, steht im dauernden Streit mit seinem Vater, rebelliert, während Tochter Jessica eher nach Walters Art schlägt: „Leute mit Geld können sich Zoloft und Xanax besorgen. Wenn man also Zigaretten besteuert und auch noch Alkohol, trifft man die Armen am härtesten. Man verteuert die billigen Drogen.“ Und doch hängen arme Menschen an ihrem letzten Freiheitsrest: „Hat man kein Geld, klammert man sich desto grimmiger an seine Freiheiten. Selbst wenn das Rauchen einen umbringt, selbst wenn man es sich nicht leisten kann, seine Kinder zu ernähren.“ – Franzens vierter Roman ist ein großes, mit brillanten Dialogen ausgestattetes Buch, das einer immer wiederkehrende Frage nachgeht: Wollen wir Freiheit – oder Sicherheit? Es liegt an uns allen!
Jonathan Franzen: „Freiheit“, übersetzt von Bettina Abarbanell und Eike Schönfeld, Rowohlt, 736 S., 24,95 Euro / Das Hörbuch (15 CDs) erscheint bei „Der Hörverlag“ (1164 Min) gelesen von Ulrich Matthes