„Dieses Buch dient vornehmlich der Unterhaltung. Es ist den Farelly-Brüdern gewidmet.“ Stefan Wimmer hält in seinem Roman „Der König von Mexiko“, was er auf der ersten Seite versprochen hat.
In einer besonders schweißtreibenden Mexikoszene steht Ingo Falkenhorst, alkoholabhängiger Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, in einer Pinte und fühlt sich komisch. Ein schmieriger Nachbar klärt den Jungen auf: „Das hier ist eine Schwulenbar. Der Barkeeper, wir, die anderen, alle um dich herum sind schwul. Und um ehrlich zu sein, du siehst ebenfalls aus, als ob du schwul bist.“ Autor Stefan Wimmer setzt seinen Helden unsäglichen Qualen aus und am Ende des Romans weiß man nicht, was schlimmer ist: Von Gangmitgliedern in Mexikos Sündenpfuhl Ciudad Juarez verfolgt zu werden, im „Disneyland für Psychokiller“. Oder: Nach der Heimreise bei einem „Spielbuben“-Magazin (auf englisch: „Playboy“) anheuern zu müssen, um zwischen zickigen Edelgewächsen aus Bogenhausen und schwäbelnden Schaffe-Schaffe-Affen obszöne Bilderstrecken zu betexten.
Jeder Satz: gehauen aus groben Klötzen, monströse Götzen. Das ist die Literatur von Stefan Wimmer. Sie ist klug: Der Wahnsinn Mexikos gespiegelt im Wahnsinn München, der Schmutz überall, auf beiden Seiten der Erde, das mag unschön sein, ist jedoch herrlich zu lesen. Dann die Figur, Ingo Falkenhorst, ein Looser, mit dem man sich identifizieren will und wie bei Jörg Fauser stets verdrängt, dass sich hier doch eigentlich ein armes Schwein durch’s Leben werkelt. Allein: Setzt man jemanden wie Ingo zu den Spielbuben, dann schaut auch der statthaft aus. Man möchte sich mitwinden, wenn Ingo das Magazin durchblättern soll und Lifestyle-Sätze im Stil „Für Gabriele Strehle ist Tanz dasselbe wie ein Milchbad“ liest. In solchen Momenten wünscht man sich zurück, nach Mexiko, nach der geliebten Tenderley, nach gebackenen Tierhoden, Psychopilzen, derben Kumpanen. Immer noch besser, als den Discotod in Bayern sterben. Für die Leser ist es ein großer Spaß.
Stefan Wimmer, geboren 1969, lebt als Kulturredakteur in München. Davor war er drei Jahre freier Journalist in Mexiko City. Er schrieb Reportagen für die Süddeutsche Zeitung, den Bayerischen Rundfunk, WDR, Deutschlandradio, Madame, Die Woche und Men’s Health. In seinem offiziellen Lebenslauf steht nichts über Playboy-Erfahrungen. Das verwundert. Ist sein „Spielbuben“-Milieu im Roman, drastischer als von Helmut Dietl karikiert, etwa ausgedacht? Und wo denkt man sich so etwas aus? Anscheinend in der Einöde: Stefan ist aktuell Stipendiat im Künstlerhaus Schöppingen. Dort können er uns sein Held Ingo Falkenhorst sich ausruhen, vom Wahnsinnsritt durch’s Jetzt – und neue Abenteuer planen.
Stand: 04.03.2008