Die schwedische Illustratorin und Radiomoderatorin Liv Strömquist hat mit „Der Ursprung der Welt“ einen modernen Klassiker der feministischen Literatur gezeichnet. In einem Doppelband verbinden sich nun das weibliche Geschlecht und die männliche Liebe. Zusammengenommen gehören sie zu den besten Aufklärungsbüchern unserer Zeit.
Kommen wir zu einem Buchtipp, bei dem gefragt werden kann: „Warum will das ein Mann lesen“ – denn es geht um die Liebe und um das weibliche Genital, auf über 280 Seiten. Bevor die einflussreiche feministische Illustratorin Liv Strömquist im März ihr neues Buch „I’m every Woman“ im Avant-Verlag veröffentlicht, ist gerade der Doppelband „Der Ursprung der Welt“ und „Der Ursprung der Liebe“ erschienen – ihre beiden hocherfolgreichen Bücher aus den Jahren 2014 und 2018.
Jeder, ob Mann, ob Frau, ob 39 alt oder, sagen wir: 15 Jahre jung, sollte sich das, was hier geschieht anschauen, und auf amüsante Weise erfahren, wie es passieren konnte, dass Liebe und Fürsorglichkeit in unserer Zeit eher den Frauen zugerechnet wird, und zugleich selbst die gebildetsten Männer selten in der Lage sind, das Geschlechtsorgan der Frau genau zu benennen, weil sie den Unterschied zwischen Vulva und Vagina schlichtweg nicht kennen.
Das Buch, liebevoll gezeichnet und collagiert, beginnt mit einem wütenden Mädchen, das sagt: „Hallo! Sie halten es vielleicht für ein Problem, dass man das, was als ‚das weibliche Geschlechtsorgan’ bezeichnet wird, in unserer Kultur unsichtbar macht und mit Scham verbindet, dass man es für unangemessen hält, darüber zu sprechen, es schlechthin negiert (…) Aber in unserer Kultur gibt es ein SEHR VIEL GRÖSSERES und ERNSTERES Problem: Und zwar Männer, die ein VIEL ZU GROSSES Interesse an den Tag legen für das, was als ‚das weibliche Geschlechtsorgan’“ bezeichnet wird.“
Und dann liefert sie die Geschichte von sieben Männern, die sich in den vergangenen Jahrhunderten zu viel mit dem weiblichen Geschlechtsorgan befasst haben, wie den Cornflakes-Erfinder John Harvey Kellogg, der empfahl, die Klitoris von jungen Mädchen mit Karbolsäure zu verätzen, um sie vor Masturbation zu schützen und ihren gefährlichen Folgen wie Epilepsie, Wahnsinn und Gebärmutterkrebs. In den USA wurde die letzte medizinische Entfernung einer Klitoris im Jahr 1948 ausgeführt, um ein fünfjähriges Mädchen vom Onanieren abzuhalten.
Als Mann liest man „Der Ursprung der Welt“ und „Der Ursprung der Liebe“ mit einer Mischung aus verzweifeltem Lachen, Fremd- und Eigenscham, wenn Liv Strömquist einen mitnimmt auf die Reise zu gar nicht so alten Kulturen, als beispielsweise das männliche und das weibliche Geschlechtsorgan als quasi identisch beschrieben wurde, eher wie das Yin-und-Yang-Symbol der chinesischen Philosophie, oder später zu den schlechten Gags überbezahlter Comedians, die das stets gleiche Zerrbild der anhänglichen, eigentlich nervigen Frau und dem unabhängigen, lieber mit Huren schlafenden Mannes reproduzieren.
Das ist nicht kind-, aber jugendgerecht, das ist gleichzeitig feministisch und höchst unterhaltsam auch für Jungs, aber auch für Greise und alle dazwischen, weil es noch die absurdesten Macho-Klischees der vergangenen zweitausend Jahre mit Humor einfängt, und zeigt: eine bessere Welt für die Geschlechter ist möglich, auch für das männliche.
Liv Strömquist: „Der Ursprung der Welt“ & „Der Ursprung der Liebe“ (Doppelband), aus dem Schwedischen übersetzt von Katharina Erben, Avant-Verlag, Berlin, 280 Seiten, 40 Euro (ab 15 Jahren)