Der Electro-DJ Hans Nieswandt las am Wochenende aus seinem autobiografischen Buch – und legte anschließend auf“
Hans Nieswandt hat Samstagnacht im 45rpm bewiesen, dass auch mittels Sprache Musik zum Leben erweckt werden kann. Nieswandt las aus seinem autobiografischen Buch „plus minus acht“ (KiWi) und legte anschließend für das überraschend zahlreich erschienene Osterpublikum bis in die frühen Morgenstunden auf. – Braun gekleidet saß der Kölner im ebenfalls braunen Polstersessel und erzählte von Diskonächten in Berlin und Bitterfeld, von Star-Momenten unter italienischem Scheinwerferlicht und „wie man es so macht“, vom und mit dem Auflegen zu leben.
Streckenweise erinnert „plus minus acht“ an die „Remix“-Sammlung des im gleichen Verlags erscheinenden Benjamin von Stuckrad-Barre. Nieswandts Essay über das Frühstücksbüffet im Hotel gipfelt zwar nicht in einem „Westbam-Remix“, der den Text im doppelten Sinne auseinander- und dann wieder zusammensetzt. Aber Nieswandt bleibt in gleicher Weise sprachlich spursicher wie ein Technics-Plattenspieler. Außerdem vermag er bildungsgewandte Metaphern wie Archimedes’ „Störe meine Kreise nicht“ auf den eigentlich totformulierten Party-Kosmos zu übertragen. Der Plattenaufleger an sich schätzt nämlich Ruhe in der DJ-Box. Nieswandt verlangte gar abschließbare Räume als Schutz vor kumpelhaften Bewunderern, die sich unbedingt „Lalal-lalalalalaaaa von Kylie Minogue“ wünschen müssen. (Das Buch des house-gewandten Bildungsbürgers kostet 8,90 Euro, für ein paar Cents mehr gibt es „plus minus acht“ bei der Deutschen Grammophon, natürlich in der Literatursparte.
(erschienen in Westdeutsche Zeitung, Lokalteil Wuppertal)