„Wie, müssen wir uns jetzt ausziehen?“ Viele Mitschüler reagierten entsetzt, als Laura Sciabica (18) für ihre Sexfilme nach Schauspielern suchte. Dienstag- und Mittwochabend, am 23. und 24. Oktober 2007, gibt es im Wuppertaler Cinemaxx das beeindruckend nackte Filmergebnis zu sehen. Schockierende Sache?
Seit Jahren veranstaltet das vielfach prämierte „Medienprojekt“ aus Wuppertal sehenswerte Videoreihen. Jugendliche Filmemacher drehen Reportagen, Clips und Spielfilme. Sofern gewünscht, wird das Unternehmen professionell betreut. So entstand beispielsweise „Hallo Krieg“, eine international beachtete Irak-Dokuserie, oder die inzwischen 74 Ausgaben der Clipreihe „Borderline“, die regelmäßig Kinosäle in NRW füllen. – Dieses Mal geht es um das Thema Sex, ein Klassiker des Medienprojekts. Unter dem Titel „Lust und Frust“ werden zwei Dutzend Kurzfilme präsentiert. Verhandelt werden, weit weg vom betulichen Dr. Sommer-Style, ums Verlieben und Verhüten, um Sehnsüchte und gekauften Sex. Max Heigermoser (19), Julien Jonas (18) und Laura Sciabica (18) haben mitgemacht. „Zuerst habe ich mir überlegt, dass ich ein bisschen spiele, und was erfinde, ich bin dann aber doch in mein richtiges Leben gerutscht bei dem Projekt“, sagt Max, „aber es fiel mir nicht so leicht.“
Aber vieles wirkt leicht, bei „Lust und Frust“. Besonders hübsch ist Laras schnell geschnittener, ziemlich gewitzter Clip „Selfmade „, als „Selbstgemacht“, der zwei Mädchen und zwei Jungs zum gleichen Thema sprechen lässt. Da es um Sexualität geht, wird jeder schon beim Titel wissen, was hier Sache ist. Die vier geben lautstark Auskunft: „Mütze, Glatze“, „Kloppen“, „Schrubben“ und so weiter, was man hier nicht ausführen muss. Sie präsentieren Aufgeschnapptes und statistisch Nachgewiesenes, und wer den Clip sieht, der wundert sich vielleicht, was so alles erforscht wird. Gut, ein Teil gehört eher in den Bereich Legende: „Ab dem 9. Mal kommt nur noch heiße Luft…“
Da ist „Noch mal und noch mal“ seriöser, was nicht als Werturteil gemeint ist. Hier sitzt man, unter anderem, mit einem überaus mutigen Julien auf dem Sofa und redet frei von der Leber weg über Dinge, die andere Menschen flüstern lassen. Original-Ton: „Nee, da hatte ich eigentlich kein Problem mit. Ich gehe ganz offen damit um.“ Jungen und Mädchen unterhalten sich hier, nach Geschlechtern getrennt, über das gleiche Thema wie oben, nur anders. Das kommt gut rüber, das räumt mit Urteilen, insbesondere Vorurteilen auf und ist ein guter Prolog für die kleinen, meist erfundenen Geschichten, die anschließend in anderen Filmen erzählt werden. Alles kommt vor. Alles?
„Also ich finde, man sollte darauf achten, dass man die Privatsphäre der anderen nicht verletzt“, sagt Laura, nachdem sie gefragt wurde, ob es in Sachen Sex im Allgemeinen und bei Projekten wie „Lust und Frust“ im Besonderen, noch Tabus gibt. Ihre Antwort ist natürlich ein starker Satz. Während die semiseriöse Knallpresse über angebliche Teenie-Gang-Bangs und pseudostatistisch belegte Netporn -Verrohungen schwadroniert, zeigt diese Kurzfilmreihe, wie selbstbewusst und zugleich verletztlich das Thema Nummer 1 vom scheinbar übersexualisierten Nachwuchs angefasst wird. Aussagen wie die von Laura stellen tendentiös verfasste und lüstern bebilderte Aufschreiartikel über „Jugendliche Sexualität 2007“ in denkbar düstere Ecken.
In den Spät-1960er- und später dann auch 1970er-Jahren, als besagte Kulturverfalls-Journalisten ihre Pubertät erlebten, da war das „Private“ gleichzeitig „politisch“, in Kommunen wurden Toilettentüren ausgehängt. Und jetzt, 2007, dann dieses legere Bekenntnis zur „Privatsphäre“. Ja! In den 70ern: Pornographische Aufklärungsbücher neben der Feststellung, dass auch Kleinkinder eine Sexualität haben, die angeblich nur unterdrückt wird. Ach, wie muffig wirken solche Aussagen neben den freigeistigen, verrückten, mutigen „Lust und Frust“-Filmen. Dabei ist hier nicht mal ein nackter Popo im Bild. Große Kunst. Großer Spaß. Hingehen.