Vor einem Jahr begeisterte der damals 20-jährige Debütautor Lukas Meschik mit seinem apokalyptischen Roman „Jetzt die Sirenen“. Der gebürtige Wiener liebt es anscheinend laut. Seine gerade erschienene Kurzgeschichtensammlung heisst „Anleitung zu Fest“ und dort gibt es dann auf einem Schloss unter anderem ein tollwütiges Pferd im ersten Stock, palettenweise Bier, ein Lagerfeuer und, so heisst es: „Am Höhepunkt des Festes wird ein Universum entstehen.“ Leider ist dies der einzige Höhepunkt des Buchs.
Urwienerisch eröffnet Lukas Meschik – natürlich – mit nächtlichen Todesgedanken. „Ein erfrierender Murmelmund blaut“ um vier Uhr in der Früh, denn „vier Uhr früh heißt Tod.“ Bedeutungsschwanger, ja geradezu hochschwanger muss man eigentlich sagen, kalauert sich dieser 21-jährige Autor durch Teenagerlieben und einen Ausgeh-Abend führt, der jedoch ausgerechnet „an Amputationen denken“ lässt. Es ist erstaunlich, wie Lukas Meschik die Jetzt-Zeit beschreibt, Mädchen mit „Plastikblumen im Haar“, „rostige Gartenmöbel und Sexualität“, „Häuptlinge und Helden“, dabei aber in keinem Moment der Wirklichkeit oder einer zweiten Wahrheit näher kommt. „Alle spielen ihre Rollen.“
Liebe ist fast immer problematisch. „Weltuhren ticken gegeneinander.“ „Ihre Tiere sind einander Jagen und Fressen“. und sogenannte „Tage der Trägheit“. Seiten der Trägheit würde hier eher passen. Da gibt es einen Universitätsdozenten, der Gedankenfetzen zu Denkteppichen verwebt. Und die junge Geliebte wünscht sich bei ihm selbstverständlich eine „Schmucknarbe“, seitlich am Rücken, eine Narbe, die man bekommt, wenn Asche oder Mehl in die Wunde streut damit das Bindegewebe wuchern kann. – Auf 242 Seiten werden jedoch deutlich zu viele Schmucknarben hergezeigt, zu viele schöne Wörter, aufgeblasene, schillernde Sätze und viel zu wenig Asche, die in wuchernde Wunden gestreut wird.
Es geht um Pornoproduktionen, panierte Hühnerschnitzel, eingebildete Liebe, Horoskope und nach neun Geschichten weiß man: „Freundeskreise sind Erfahrungsgemeinschaften mit von Gruppe zu Gruppe unterschiedlicher Mythologie.“ Und: „Alle denken, dass sie tanzen, dabei trauern sie nur. Manchmal reißen sie brüllend die Arme hoch, wie um sich Götzen darzubieten. Der Erdteil ist verdammt.“ Welcher DJ hat bei dieser Disco-Szene aufgelegt? Man würde es gern wissen.
Es folgen acht Miniaturen unter dem Titel „Die Neuordnung der Synapsen“. Sie behaupten später Gegensätze zwischen „Heizkörper / Ratte“ oder auch „Lustspiele / Lust“. Es sind mäandernde Gedankenspiele, knappe Szenen, die vom „Teil der Klischeewelt“ am Set eines Außendrehs berichten und von den „Mitteln der Promenadologie“. Allein die letzte, titelgebende Geschichte ist ganz wunderbar. Maskierte Menschen feiern spontan ein Schlossfest. „Der älteste Gast ist bereits einhundertsieben, der jüngste noch gar nicht geboren.“ Es gibt ein tollwütiges Pferd im ersten Stock, palettenweise Bier, ein Lagerfeuer. „Man kichert und springt, klopft sich Glühpunkte am Bauch aus, auf dem Schuh. Gebrauchte Taschentücher landen im Feuer.“
Ein erloschenes Paar tanzt plötzlich zusammen. „Er beklatscht ihre Pirouette.“ Gaukler treffen ein. „Und jeder, noch so schmächtig und innerlich von einem Dröhnen zerfressen, findet seinen Gegenpart.“ Die eingeladen Huren verhalten sich höflich. „Am Höhepunkt des Festes wird ein Universum entstehen.“ Hier schreibt Lukas Meschik nicht die Gegenwart ab, hier konstruiert er keine doppelbödig einkrachenden Liebessituationen. Er fabuliert herum, probiert sich aus. „Ist es wirklich so gewesen?“ werden sich die Gäste später fragen, „Sehr unwahrscheinlich.“
Nur in der Geschichte ergibt alles einen Sinn. „Das Fest wird sich vom hohen Ton nicht beeinflussen lassen“, Pseudoweisheiten großspuriger Hochtöner werden entlarvt. Die Erschöpfung zum Schluss kommt ausnahmsweise nicht vom Text. „Man muss versöhnlich enden.“
Lukas Meschik: „Anleitung zum Fest“, Luftschacht, 242 Seiten, 19,50 Euro