Schöner speisen, ohne Schah: „Wie kannst du ein Land zu seiner kulturellen Aufklärung führen, wenn du nicht weißt, wie man eine beschissene Pastete isst?“ Wird der Held aus Tirdad Zolghadrs Iranroman „Softcore“ den Glamour nach Teheran bringen? Und wie isst man eine Pastete?
Die rauschend-brutale Schah-Party wurde 1979 von der islamischen Revolution im Iran gecrashed. Aus dem dekadenten 1001-Nacht-Märchen, das ebenso schillernd wie schonungslos agierte, formte sich jenes Staatsgebilde, das 2002 vom US-Präsident George Bush zur „Axis of Evil“, zur Achse des Bösen, gerechnet wurde. 25 Jahre nach besagter Revolution geht das unterbrochene, unter dunklen Schleiern erstickte Fest weiter. In Tirdad Zolghadrs heißem Debütroman „Softcore“ eröffnet ein junger, globalisierter Iraner seine It-Kunstgalerie in der Hauptstadt Teheran. Ungewöhnlich? „Heutzutage findet man Food Courts, West-Coast-Hip-Hop, internationale Filmfestivals, Nike und Puma und Swatch und Longines neben einer Heavy-Metal-Szene, Pizza Burger, Jim-Jarmusch-Retrospektiven…“ – im Iran! Softcore kippt mit popkulturell aufgeladenen Szenen die ermüdenden Terror-, Atomkriegbilder, ohne beschönigend zu wirken. Softcore ist: mutig, revolutionär, regimekritisch, mittelpunktsfähig, cool. Warum?
Die Antwort lautet: Ironie. Tirdad schreibt, beschreibt selbst die ungeheuerlichsten Begebenheiten mit ironischen Mitteln. Eine Horde Geheimagenten argwöhnt, dass eine private CD-Sammlung Informationen für Mudschaheddin-Kameraden im Untergrund erhalten, sie „sitzen um den Couchtisch herum und hören nach dem Zufallsprinzip Lieder von Dr. Dre und Vanessa Paradis.“ Der junge Held muss in Einzelhaft und er kann sich glücklich schätzen, Journalist zu sein: „Mein eigener Trakt ist picobello und bietet unbegrenzte Mengen an heißem Tee, frischen Früchten und Gerichten wie Hühnchen in Granatapfel-Walnuss-Soße, hat aber keinen Hof, und die grellen Neonlampen sind vierundzwanzig Stunden am Tag eingeschaltet.“ In diesem Ton werden üblicherweise All-Inclusive-Hotels auf Mallorca rezensiert. Als der Mann später freigelassen ist, kümmert er sich erst einmal um seine Körperhygiene: Stirn peelen, Achselhöhlen rasieren, Schläfen massieren, Nägel feilen – das erinnert schon sehr an „1979“ von Christian Kracht (siehe weiter unten). Der Terror ist außen vor und gerade deshalb omnipräsent. Nach Deo riecht nur der eigene Leib, draußen lauert der stinkende Tod. Man kann nur absurden Visionen frönen, in solchen Zeiten: „Die Amerikaner sollen rüberkommen, ich schwöre a‘n jad, sie sollten alles besetzen. Zwei Vorteile. Passt auf. erstens. Wir werden alle arabischen Führer los. Zweitens. Sind die Amerkaner erst mal am Boden, können wir sie abknallen.“
Der 1973 geborene Tirdad Zolghadr lebt als Kurator, Filmemacher und Kritiker in Berlin. Er schreibt für verschiedene Tageszeitungen und Kunstmagazine, unter anderem für das renommierte „Frieze Magazine“, das 2003 die bekannte Kunstmesse „Frieze Art Fair“ im Londoner Regent‘s Park begründet hat. Tirdads Roman, der bis jetzt nur in Deutschland erhältlich ist, erscheint nicht im Original: „Softcore“ wurde von Johann Christoph Maass aus dem Englischen übersetzt. Das komplette Buch erinnert an einen anderen großen, globalisierten, genialischen, auf Deutsch und Englisch schreibenden Schriftsteller. Dieses Buch erinnert an Christian Kracht, der im Herbst endlich, endlich seinen neuen Roman „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“ vorlegen wird. Eben dieser Christian Kracht bietet sich als fulminanter „Softcore“-Laudator an: „Man möchte wilde Blumen pressen, am Feuer stehen, dem jungen Schriftsteller Tridad Zolghadr immer wieder mechanisch die Hand schütteln für diesen großartigen Roman. Ihn zu lesen, bedeutet die Rituale einer absurden Komödie in einem leeren Theater in Teheran beobachten zu dürfen. Softcore ist kalt, präzise und gerade deshalb unglaublich unterhaltsam.
Tirdad Zolghadr: „Softcore“, übersetzt von Johann Christoph Maass, KiWi 224 Seiten, 8,95 Euro