Es herrscht Krieg an der Geschlechterfront. Während Thomas Meinecke („Tomboy“) daraus ein hochgeschraubtes Romanwerk mit beziehungsreichen Querverweisen bastelt, kommt Michael Stavarič (Jahrgang 1972) zum Punkt. Er erzählt von einem schwärmerischen Mann, der eine junge Mutter liebt.
Diese bemitleidenswerte Frau ist im Machokäfig gefangen und steht unsicher zwischen den Fronten. Ihr ländliches Herz schlägt für den ätzenden Ernährer ihres Kindes. Obwohl der Mann, Robert, zuerst das Kind, dann sie verprügelt und droht, beide hätten noch Schlimmeres verdient. Ihr städtisches Herz pocht für den Anderen, den Lebenskünstler und zigeunerblütigen Taugenichts, der von Kindesbeinen an Roberts urmännliche Kampfattitüden ablehnte, der sich nie prügelte und niemals Rangordnungen herstellen wollte. Die Männer kämpfen um ihre Frau. Die Frau kämpft als Weibchen an der Seite ihrer emanzipierten Kombattantinnen. Robert kämpft für seine Ehre, der Ich-Erzähler um die Liebe. Am Ende schreiten alle das blutige Schlachtfeld ab und stammeln „nichts, was Worte sagen mögen.“ No Doubt haben über dieses Phänomen einen Hit verfasst, „Don‘t speak“ heißt der und weil das alles so gut passt, hat Michael Stavarič „Böse Spiele“ im Sound des Songs verfasst, rhythmisch, in Singlekürze, mit Herzklopfen, das Liebenden und Konzertbesuchern bekannt sein wird. Der gebürtige Tscheche begeistert mit lyrischen Sätzen, einer hocherotischen, einfühlsamen Sprache, mit knappen, atemlosen Szenen. Großes Gefühl. Niemals Kitsch, in keinem Augenblick.
Warum eröffnest Du „Böse Spiele“ mit einem „No Doubt“-Zitat? Ich habe allen Romanen ein Songzitat voran gestellt. Damit zeige ich, dass Sprache für mich etwas sehr Melodisches ist. Meine Prosa ist nah an der Musik. Mir ist es wichtig, dass sich die Worte und die Sprache gut anfühlen im Mund, dass sie einem Rhythmus folgt. Ich wähle immer einen Songtitel aus, je nachdem, was ich zufällig gehört habe. Ich will jetzt nicht das ganze Buch vorweg nehmen. Aber „Don’t Speak“ passt, weil es am Ende eine kleine Szene gibt, in der es um das „Nicht-Sprechen“ geht, darum, keine Worte zu finden.
Statt großer Worte gibt es in „Böse Spiele“ viele kleine Sprachbilder, wie das Herz, das die Heldin immer wieder links trägt und der eine Mann meistens zu weit oben. Es gibt mehrere Refrains im Buch, nicht diese Herzen, sondern auch eine Palme, die immer in anderen Farben auftaucht. Die steht tatsächlich in Wien, eine Plastikpalme, die allerdings nicht die Farbe wechseln kann. Und diese Refrains stehen für Variationen eines immer gleichen Epos. Im Grunde geht es um die ganzen großen, wuchtigen Themen, und das sind Mann, Frau, Krieg, Mord und Leidenschaft und Totschlag.
Das alles auf 150 Seiten. Warum so knapp? Ich finde, wenn man Sprache in der Art und Weise bearbeitet, wie ich es mache, braucht es eine übersichtliche Länge. Das darf alles einen gewissen Rahmen nicht übersteigen und nicht sprengen. Ich mag Bücher, die ich überall aufschlagen kann- ich bin direkt drin in der Geschichte. Wobei ich den Romanbegriff auch ironisch sehe: Romane sind meine Bücher im Grunde keine!
Welche Bücher begeistern Dich aktuell? Arno Schmidts „Seelandschaft mit Pocahontas“ kann ich überall aufschlagen und bin direkt drin, im Schmidtschen Universum. Außerdem bin ich seit Jahren ein begeisterter Lyrikleser. Ich glaube, wer viel Lyrik liest, hat ohnehin ein sensibleres Leseverhalten.
„Böse Spiele“ wirkt auch sehr sensibel. Gleichzeitig ist die Geschichte gigantisch: „Du bist der Sturm, du bist das neue Zeitalter“, sagt ihre Heldin. Steht der romantische Liebhaber für ein neues Prinzip? Er steht für einen Paradigmenwechsel, für die Möglichkeit eines Wandels. Wandel gibt es in periodischen Abständen, wie bei den Republikanern, die in Amerika nach einer Dekade abgewählt werden, und dann kommen die Demokraten wieder dran. Und in größeren Zusammenhängen kann man das auch auf das Männliche oder Weibliche an sich betrachten, auf die Handhabung von Beziehungen, von gewissen Normen und Moralvorstellungen. Es gibt immer wider Zeitspannen in der Geschichte, wo dieser Wandel fühlbar und sichtbar wird. Und das reflektiert dieser Held in „Böse Spiele“ für mich.
Wieso erscheint der Roman nicht wie die vorherigen beim österreichischen Residenzverlag, sondern bei C.H. Beck? Ich wollte mein Verlagsportfolio erweitern. Ich habe bis jetzt bei Kookbooks und Residenz publiziert, wollte aber auch einmal etwas mit einem größeren deutschen Verlag machen.
Hat es die österreichische Literatur in Deutschland schwer? Ich glaube, die österreichische Literatur ist in gewisser Art und Weise markiert, durch große Namen, wie Jelinek, Handke, Bernhard und so weiter. Es gibt eine genaue Vorstellung davon, was österreichische Literatur ausmacht. Ich versteh mich aber eher als tschechischer Autor, von meiner Herkunft her und weil ich zweisprachig aufgewachsen bin und mir die tschechische Literatur auch näher ist.
Du arbeitest auch als Ghostwriter. Für wen? Ich habe viele Jahre lang im diplomatischen Dienst gearbeitet und dort dann Reden und dergleichen geschrieben. Ab und an kommt da noch was, was ich dann ausarbeite, aber das ist eher meine Vergangenheit. Mittlerweile widme ich mich nur der Literatur. Um meine Kräfte zu bündeln.
Wie muss man sich Deine Arbeit im diplomatischen Dienst vorstellen? Ich war Sekretär von drei tschechischen Botschaftern in Österreich, als erstes von Jiri Grusa, den man in Deutschland auch kennt, weil er auch da tschechischer Botschafter war. Von ihm habe ich viel gelernt, nicht nur von Politik oder den bilateralen Agenten, sondern auch über die tschechische Literatur. Das war eine spannende Zeit, einfach auf dem diplomatischen Parkett agieren zu können. Da gibt es eine Menge Anekdoten.
Welche fällt Dir spontan ein? Ich habe befürchtet, dass Du das jetzt fragst. Mir ist jetzt gerade eingefallen, wie ich einmal zum Übersetzen abkommandiert wurde, weil der offizielle Übersetzer ausfiel, da ging es um das Kernkraftwerk Temelin. Da gab es bekanntlich eine Menge Verstimmungen zwischen Österreich und der tschechischen Republik, und ich sollte dolmetschen und saß dann mit wichtigen Herren in einer Runde. Erst während des Übersetzens kam ich darauf, dass mir die ganze Terminologie fehlt im Bereich Atomkraft- das war alles wahnsinnig technisch. Es war wie in einem Sketch, der Österreicher sprach so eine halbe Stunde und ich übersetze dann in drei Sätzen, und der Tscheche schaute mich an und fragte, ob das alles gewesen sei, und ich antwortete: “Ja, das Wesentliche.“
Michael Stavarič: „Böse Spiele“, C.H. Beck, 160 Seiten, 14,90 Euro