Heute erscheint das neue U2-Album „How To Dismantle An Atomic Bomb“. In der Nacht von Samstag auf Sonntag feierten Freunde der „King Kong Klub“-Party diesen offiziellen Nachfolger vom elf Millionen Mal verkauften Clou „All That You Can´t Leave Behind“. Wofür steht U2? Wofür steht die monatliche King-Kong-Partyreihe in Wuppertal? Und warum ist das Schwarzlicht im Mainfloor abgeschaltet?
Letzteres ist bei dieser Party offensichtlich: Es hätte keinen Zweck. Schwarzlicht lässt weiße Flächen leuchten. Bei Technoveranstaltungen schimmern dann T-Shirts, blank geputzte Zähne, neue Turnschuhe in lauter Dunkelheit. Beim rockigen King King Klub-Abend ist dagegen schwarze Anpassung beliebt. Selbst der 50-jährige Italiener, der einen euphorisch auf die Tanzfläche zieht, selbst jener ist dunkel gekleidet, wenn auch im gepflegten Rollkragenpullover.
Fans von Placebo, Depeche Mode oder Metallähnlichem pflegen einen Dresscode, der als homogene Un-Uniformiertheit durchgehen könnte. Wenn es kein Leder ist, soll es wenigsten ähnliche Wirkung haben. DJ Micha Kuehn, Meister der Menschenmenge in dieser Nacht, selbst euphorischer U2-Fan, bildet um den harten Rock-Kern, um das Albumrelease-Thema U2 einen tanz- wie hinnehmbaren Kosmos.
Er spielt White Stripes zu Videobeamereinspielungen, kommt dann einem The Kinks-Wunsch nach, greift hinter sich und findet Morrissey mit „First Of The Gang To Die“. Zu Tomte lässt es sich, Erkenntnis des Abends, überraschend schwer tanzen. Man versucht, was geht. Es bleibt Liegewiesenmusik. Das Ergebnis erinnert an ähnliche 90er-Jahre-Versuche, Portishead körperlich wiederzugeben.
Von den Wänden des alten Weinkellers schauen, Tomte kontrastierend, riesige Büffel- oder Bison- oder sonstig unheimliches Wildtiergehörn herab. Man sieht: Ketten und Nieten an Mädchen und Buben, Stiefel und schwarzen Kajal, auch um dunkle Männeraugen. Aber die Atmosphäre ist keinesfalls irritierend, niemals aggressiv, so klassisch halbstark, wie es vermutet werden könnte.
Hier trifft das Ü-30-Publikum auf Beinaheabiturienten, sogar Besucher, die beim U2-Debüt „Boy“ (1980) das letzte Lehrjahr beendet haben dürften, sind anwesend und fallen nicht auf, weil an diesem Abend Anknüpfung qua Geschmack gesucht wird. Jeder ist Individualist. Jeder ist ein Rockfan. Aber gemeinsam sind sie „der Rock“, die Repräsentanz des Images schlechthin. Am Anfang des Abends gibt es einmal das komplette Album zu hören, im Anschluss die aktuelle U2-DVD. Zwischendurch werden einzelne Songs wiederholt.
Im Nebenraum spielt Soulfunk, als Rock-Nachbarschaftliches, hier sogar mit Schwarzlicht – aber gibt es die U2-Smash-Attacke? Ein paar CD-Werbeplakate hängen an den Wänden. Bei der großen Verlosung wollen Merchandisingartikel gewonnen werden. das war es auch. Wer dachte, eine U2-Releaseparty sei Fanfasching mit Bono-Ähnlichkeitswettbewerb, Coverband, sakraler Huldigungsatmosphäre, der wird hier vom möglichen Gegenstück überrascht. Doch kann man enttäuscht sein? Nein. Diese Party ist wie ein guter Coversong. Das Eigene, hier die Partyreihe, wird eingebracht und nicht verleugnet. Das Bewunderte wird jedoch selbst als Folie respektiert. Wer U2s-Version von „Everlasting Love“ kennt, der weiß, was gemeint ist.