Dass nicht nur bemalte Leinwände Kunst sein können, sondern auch der Diebstahl selbiger beweist PoetrySlammerin Mieze Medusa mit ihrer Gaunergroteske „Mia Messer“. (Das Beitragsbild ist von Gudrun Krieger)
Rap-Poetin Nora Gomringer und die Deutsch-Musiker von Blumfeld haben Kunstdiebin Mia Messer inspiriert. Die eine dichtete: „Mia, bring mia was mit, wenn du wiederkommst, falls du wiederkommst“. Blumfeld bezeichneten jedes Bild als Gebrauchsgegenstand, „wie ein Messer“. Beide werden auf der ersten Seite des Romans zitiert. Mieze Katz ist außerdem der Künstlername von MIA.s Frontfrau, und zu Stein erstarrte, wer die mythische Medusa mit den Schlangenhaaren ansah. Schon klar, dass es bei „Mia Messer“ von Mieze Medusa nicht nur um Kunstraub geht – sondern auch um Sprachbilder, Girl Power, Unheimlichkeiten.
Mia Messer, die sich selbst in Menschenmassen unsichtbar machen kann, wurde in einem Kriminalinternat auf ihre zweifelhafte Karriere vorbereitet. Diese führt sie allerdings nicht nach St. Tropez oder ins MoMa, sondern zum Beispiel in „einen schicken, durchdacht designten Betonglasneubau in einer kleinen, aber selbstbewussten Stadt in Deutschland, in einem modernen, weltoffenen Kunsttempel, der auf seiner Webseite mit seinen Saint-Phalle-Bildern prahlt.“ Mieze Medusa präsentiert hier einen Gegenentwurf zu oberflächlich-coolen Heist-Movies wie „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ oder der „Ocean’s“-Reihe mit George Clooney, also Geschichten, die einen spektakulären Raub nacherzählen. Es wird kein Casino, keine Bank ausgeräumt, sondern feministische Kunst entwendet – Bilder der Französin Niki de Saint Phalle, die vor allem durch ihre tonnenschweren „Nana“-Skulpturen bekannt wurde. In Duisburg kann man ihren bunten „LifesaverBrunnen“ anschauen, ein vogelähnliches Fabelwesen.
Mia Messer klaut vor allem feministische Kunst, das ist ihr Markenzeichen, ihr Unique sellling proposition, das, woran sie in den Medien wiedererkannt werden kann. PR ist wichtig in ihrem Geschäft. Noch liefert sie brav bei ihrer Ziehfamilie Barozzi ab, ist vor allem Kunstliebhaberin, treibt sich auf Messen rum, beobachtet die Single-Besucher alberner Vernissagen, begutachtet Kunstschätze in Rom, schaut vorbei im teuren „Luzern in the sky with diamonds“ und stapelt Bildbände en masse in der kleinen Wiener Stadtwohnung. Außerdem kann sie gut mit Randfiguren ihres Lebens, mit „Sportwetten-Rob“ und „Nagelstudio-Silvana“; mit Ioan, der Rumänien-Rap in seinem verbeulten Polski-Fiat hört und einen ganz besonderen Red Bull-Ersatz nach Omas Rezept im Fußraum liegen hat: „Kaffee, mit Kräutern versetzter Honig, Chili, Ochsengalle.“ Das Leben könnte dahinplätschern für Mia Messer. Doch sie ist beseelt von einem Wunsch, der nahezu jeden (ausgedachten) Kunstdieb umtreibt: Einmal das richtige große Ding drehen, allein, dann abhauen, für immer.
Was leichter gesagt, als getan ist, denn irgendwann steht da eine ernüchternde Erkenntnis. „Mein Plan, denkt Mia. Scheiß Plan. Panzerknackerstyle.“ Denn ohne Barozzi-Rückhalt macht das Einbrechen nur halb so viel Spaß. Sie ist ein Gesellschaftstier, das nun hadert mit allem, muss sich entscheiden wie so viele emanzipierte Frauen vor ihr – Heim und Sicherheit oder Raus und Rock’n’Roll? Aber bitte mit „Happy End wie im Kino“. – Dass auch dort Verbrecher gefasst werden, hat ihr vermutlich niemand gesagt. Der Reiz dieses Romans liegt neben seiner zweifelnden, ein bisschen wirren Heldin auch am Rap-Rhythmus. Autorin Mieze Medusa weiß, was auf der Bühne taugt. Außerdem taucht „Mia Messer“ zu einer Zeit auf, in der Kunstfälscher und van Gogh-Diebstähle Boulevardspalten und Tresengespräche füllen. In einem Milieu aus Gaunerfamilien (die ganz anders funktionieren als bei „Der Pate“), Sushi-Bars (die als Sehnsuchtsorte großstädtischer Yuppies ausgedient haben) und Museumseinbrüchen (die gar nichts von „Mission Impossible“ haben) setzt sich Mia Messer, die feministische Kunstdiebin, als charmantes, cooles Schlitzohr durch. Den großen Coup hat sie verdient.