Es gibt einen Ort im kalten Königreich Dänemark, wo kugelsichere Kleidung verboten ist, dafür aber Cannabis geduldet wird: Christiania. Seit 1971 trotzen Kommunarden hier der Hauptstadt Kopenhagen 34 Hektar Wohnfläche ab. Auf dem ehemaligen Militärgelände haben zirka 900 Bewohner ein autonomes Viertel errichtet, das eigenen Gesetzen gehorcht, das Verbot kugelsicherer Kleidung ist eines von vielen.
Neuerdings hat Christiania auch einen Popstar: Den wunderbaren Soulsänger Lukas Graham. Der Halb-Ire wurde hier an einem Septembertag auf dem elterlichen Sofa geboren. „Seitdem bin ich hier und will auch nicht weg. Ich kenne einfach nichts anderes.“ sagt der Dreiundzwanzigjährige. Seine Kumpels „Lovestick“ (Drums), „Magnùm“ (Bass) und „Ristorp“ (Keyboard) kommen aus Kopenhagen, wohnen zwar nicht in der Freistadt Christinia, wurden aber angelockt, wie so viele, von ihren Verheißungen. – Yogis, Hippies, Vogelfreie sind in Christiania willkommen, was die Phantasie aller Freiheitsliebenden beflügelt. „Wir sind eine Insel im Meer des Kapitalismus“, sagt Lukas Graham dazu. Als linke Touristenattraktion dürfte die Zukunft des Gebietes damit gesichert sein und jetzt wird es noch bekannter – nicht durch Hippie-Mucke, sondern durch diese vier Slacker-Typen:
In offiziellen Terminkalendern tauchen die Gigs der Band in Christianias Musikcafé „Loppen“ auf. Man ist längst auch Teil des kulturellen Establishments, und wer sich im Netz den Konzertmitschnitt von Lukas Graham und seiner gleichnamigen Band anschaut sieht reihenweise Natural Born Beauties im Publikum. „Wir begannen in einem kleinen Jazzclub, spielten montags und dienstags vor 120 Gästen“, sagt Lukas Graham, „nun spielen wir Gigs in ganz Dänemark vor 800 bis 1500 Fans.“ So wurde auch die erste Single „Ordinary Things“ 2011 zum Herbsthit und allenthalben nach dem Album verlangt
Doch Lukas Graham brauchen noch ein wenig, speisen ihre Fans mit YouTube-Videos ab. In diesen klingen sie manchmal nach Mayer Hawthorne ohne Gel. Sie haben die Lässigkeit britischer Indiebands, wirken leicht durchgesoffen, singen über Exlieben, über Betrunkene, die Mädchen um fünf in der Früh aus dem Bett klingeln wollen, über „ordinary things“. Die Texte sind nicht das Besondere. Das Besondere ist der Sound. „Wenn man die gleiche Musik hört, die man spielen will“, sagt Lukas Graham, „lehnst du dich automatisch an das Vergangene an und kreierst niemals was Neues. Gefährlich. Deshalb schaue ich rum, nach anderen Genres und Stilen – Indie ist willkommen, Indie-Fans sowieso.“ Kitsch auch. Und Kopfstimmen.
In Deutschland spielen die vier Musiker jetzt ihre ersten drei Konzerte in Flensburg, Hamburg und Berlin. Dann gibt es Easy Listening ohne Lykke Li-Attitüde, dazu sehr viele Soulerinnerungen an Sam Cooke („Wonderful World“) und Otis Redding („Sitting on the dock of the bay“), die großen Helden des Bandleaders. Was gibt es noch? Der längst zum schillernden Discosound herabgesunkene Soul trifft bei „Lukas Graham“ aufs leicht Asige, auf Christiania, aufs Vogelfreie. Das hat sich der Soul nicht bloß verdient – das ist hier wirklich großartig gemacht.