Erst stirbt Ulrich Zieger an seinem Wohnort Montpellier im Alter von nur 53 Jahren (hier eine Würdigung von Clemens Meyer), dann will der Bayrische Rundfunk seine einzigen beiden Literatursendungen im Fernsehen rausschmeißen (hier geht es zur Petition) und dann sieht das Urheberrecht auch schon ganz schlecht aus. Verleger Jonathan Beck schreibt in der SZ eben hier: „Für Verlage und andere Werkvermittler gilt, dass sie in ihrer täglichen Arbeit alle Hände voll zu tun haben, Angriffe an mehreren Fronten abzuwehren: Die Buchverkäufe sind insgesamt rückläufig, Verkäufe älterer Werke aus der sogenannten Backlist, früher eine wichtige Umsatzstütze, wurden weitgehend vom Online-Gebrauchtbuchhandel ersetzt, Amazon erzwingt einen im Jahresrhythmus steigenden Anteil vom Umsatz für sich, Übersetzer fordern eine stattliche Erfolgsbeteiligung, und Bibliotheken können seit Kurzem auf das gerichtlich zugesprochene Recht hoffen, ein vorhandenes Printexemplar einscannen und unbeschränkt digital an ihre Nutzer weitergeben zu dürfen. Ein kollektiver Aufschrei von Urhebern, Verlagen und anderen Werkvermittlern wäre mehr als angebracht.“ – Nun zu Unterhaltsamerem.
Wird Martin Walser einsichtig? „Er sei immer gescheitert, wie er beteuerte, aus Unfähigkeit für den Beruf, aus angeborener Langsamkeit, weil es nie stimmte.“ So zitiert ihn der Schweizer Tagesanzeiger in diesem unterhaltsamen Text über ein gescheitertes Interview mit dem „grössten lebenden deutschen Schriftsteller“. Natürlich sprach der 88-Jährige (rechts, Wikipedia) nicht über seine Literatur, sondern über die Zeit als Kulturjournalist beim Radio, als er sein fortwährendes Scheitern begründete gegenüber den glücklosen Kollegen, die fatalerweise nicht das aktuelle Buch Walsers (über Auschwitz) gelesen hatten.
„Als wir wenige Tage später das Interview über den Rowohlt-Verlag zum Gegenlesen schickten, kam alsbald der Bescheid: Unpublizierbar! Dass uns Walser, ruhenden Auges, ein grosses Weizenbier vor sich, zuvor versichert hatte, er sei im Gegenlesen ganz unkompliziert, weil professionell: Das war die Pointe, die uns lachen liess im Zustand der Konsternation.“
Blogroll: Ein echter Könner dagegen ist Stefan Mesch, der sich für diese Auflistung durch 950 Buchblogs gearbeitet hat (links ein Screenshot) und nun 50 Empfehlung abgibt. Hier geht es noch zu seiner Krimiblog-Hotlist. Stefan schreibt für den Tagesspiegel und Zeit Online – und er ist ein großer Listenfan, zu sehen an diesen Listen über Jugendbücher, die „besten Bücher des Jahres 2015“, diese besten Comics über Liebe (er hat unter anderem das „Avengers“-Lexikon übersetzt).
Ein Bad Boy: Das wäre der emphatische Volker Weidermann, neuer Gastgeber des im Oktober startenden „Literarischen Quartetts“ – und deshalb hat er in der NZZ seine harte Seite rausgekehrt, denn es gibt Autoren, „deren Literatur ich falsch finde, die mich aufregt, die ich als manieriert und kunstgewerblich und nicht zeitgemäss empfinde, etwa Martin Mosebach (Bild) oder Georg Klein oder die ganzen neuen bleichen Jünglinge der deutschen Literatur mit ihren sphärischen Weltraumromanen.“ (Bild: Mosebach/Wikipedia.)
Lustauflesen aka Jochen Kienbaum berichtet unter der Überschrift „In Harmoniesoße ertrinken oder: Kein Streit nirgends“, dass sich die Kritik oft vor der Bewertung von Literatur drückt. Das hatte bereits zu diesem Ausbruch geführt, als Chris Popp („Generation „Bequem“ oder: Empörungsintoleranz und Kuscheldiskussionen oder: Ich bin ‚light‘ leid“) schrieb: „Woher kommt, wenn dann doch an der Diskussion teilgenommen wird, diese neuzeitliche Diplomatie? Warum sind anno 2015 im anspruchsvolleren Kreis (sprich, jenseits des „Ey, du hast ja gar keine Ahnung!“-Äquators) kaum noch wirklich hitzige, turbulente Debatten möglich?“ (Bild)
Es wird diskutiert, i.d. hier auf Englisch übersetzten Kritikerdebatte , die Guido Graf noch einmal sortiert, nachdem Wolfgang Tischer für einen „Inselführer“ plädiert hat (s.o.: Stefan Mesch?). Nun entsteht ein Magazin – und Sieglinde Geisel (Bild), die ein gutes Feature über Buchblogs sendete, schickt Aktualisierungen via Mail (danke!). Nur: Warum was Neues machen statt den besten Inselführer auszubauen, den viel geschätzten Perlentaucher?
Ziemlich gut kommt gerade „Auerhaus“ von Bov Bjerg an – hier beim Spiegel, dort in der Welt und bei Deutschlandradio Kultur. Den Song „Our House“ von Madness, den der Held von Bjerg falsch interpretiert hat wurde nun von Robert Stadlober in dieser großartigen Romanversion neu aufgenommen, allerdings, ohne die Urheber zu fragen. Also meldete sich die Plattenfirma, fragte nach, beim Verlag aber auch bei Madness, die in solchen Dingen verdammt streng sein sollen. Aber: die gaben das Teil frei. Yeah!
Konsuminventur
Psychotricks: Dass man mit dem Bezahlen das meiste Geld verplempert hatte bereits Wilhelm Busch festgestellt. In diesem Text werden einige Verkaufskniffe erklärt, vom „Ankereffekt“ bis zum „Kontrastprinzip“ und den Sommerschlussverkauf: „Der Modehandel hat seine Strategie perfektioniert. Zwar können die Verbraucher dabei ohne Frage Schnäppchen ergattern. In den meisten Geschäften aber liegt keineswegs ausschließlich die erhoffte Eins-a-Ware auf dem Grabbeltisch.“ (Bild: Wikipedia)