Was in den vergangenen Tagen geschah: Tim Renner und Andreas Platthaus batteln sich in Sachen Buchbranche“. Frankfurt ist keine Stadt des Zufluchts mehr und alle fragen sich, wie das passieren konnte. Gabriel García Márquez ist tot. Ein Poetry Slammer tritt beinahe einen neuen Hype los.
Gabriel García Márquez: Mit seinem mittlerweile millionenfach verkauften Welterfolg „Hundert Jahre Einsamkeit“ (Coverausschnitt rechts) wurde der Kolumbianer 1967 schlagartig weltberühmt. Der „Magische Realismus“ von Gabriel García Márquez (hier eine Besprechung von 1994 im Literarischen Quartett) inspirierte deutlich Autoren wie Paul Auster oder Daniel Kehlmann (mit einem Cameo-Auftritt in „Die Vermessung der Welt“ – nebenbei ein kleiner Hinweis auf „F wie Fiktion“). Kehlmanns bester Schreibkumpan Thomas Glavinic würdig Gabriel García Márquez in der WamS unter der Überschrift: „Wer diese Literatur nicht zu würdigen weiß, kann kein guter Mensch sein“
Vorschussloorbeeren: Startnext macht den Verlagen Konkurrenz – oder hilft ihnen aus der Patsche. Der Leipziger Verlag Voland & Quist sammelt Geld für die Berufung im Wanderhurenstreit (hier gibt es alle Infos). Im Börsenblatt spricht Verleger Leif Greinus über die Crowdfundingaktion. (Bild) Aber auch der Parasitenverlag aus Köln sammelt hier für eine neue Lyrikreihe und weil ich die Idee, aus alten Briefumschlägen Bücher zu gestalten charmant finde (und nebenbei gesagt Adrian Kasnitz für einen der ganz besonders Guten halte) mache ich mit (Voland & Quist, die ich eh verehre, haben ihre Kohle bereits zusammen).
Absolut Digital: Dass Amazon längst mehr ist als eine (Bücher-)handelsplattform ist bekannt. Nun wollen die Amerikaner auch in Deutschland Unterhaltungsliteratur selbst verlegen. Amazon hat bereits 18 Autoren unter Vertrag und mit Andrew Wylie einen starken Gegenspieler: „Wenn Sie die Wahl haben zwischen Amazon und der Pest, wählen Sie die Pest!“ Währenddessen sprießen E-Book-Handlungen aus dem Boden, wie minomore (Bild rechts) und logos: „Aufgrund der mittlerweile etablierten Cloud-Angebote stehen unsere Bücher nämlich nicht mehr im heimischen Bücherregal, im lokalen Buchhandel oder in öffentlichen Bibliotheken, sondern in Serverfarmen, die alleinig den Zugriff auf die dort gesammelten Inhalte regeln.“
Frankfurt keine Stadt des Zufluchts mehr: „Vierzig Städte weltweit gehören dem Netzwerk “Städt der Zuflucht” (ICORN) an, das es sich seit Mitte der Neunziger Jahre zur Aufgabe gemacht hat, verfolgten oder bedrohten Schriftstellern zu helfen. Für mindestens ein Jahr erhalten die Autoren ein Stipendium, das aus Geld und einer Wohnung besteht, um frei arbeiten zu können. Auch die Buchmesse-Stadt Frankfurt war bislang beteiligt. Bis zum 31. Mai ist dort noch der iranische Romancier Mohammad Baharloo (Bild) untergebracht. Danach stellt die Stadt ihre finanzielle Unterstützung von jährlich 27.000 Euro ein.“ Übersetzer Gerrit Wustmann schreibt hier über eine Besorgnis erregende Entwicklung.
Facebook-Aktion: Der Poetry-Slammer Tom Schildhauer (hier bei einem Auftritt in Freiburg) wurde am 15. April von seinen Freunden „heimgesucht“ – ohne sein Wissen verabredeten sich mehrere Kollegen, angestachelt von Hinnerk Köhn, das Facebook-Profil ihres Kumpels zu spammen, mit Bart-Selfies (ein intertextueller Verweis auf Patrick Salmen?), einem 50-Euro-Schein („Als Künstler sieht man die so selten.“), Apfelschnitzen, Blitzerbildern und Nonsense-Fragen der Art: „Wir machen Sachen. Machst du auch Sachen?“ – Hat bislang keine Nachahmer gefunden, im Gegensatz zu Sellotaping und dem #After-Sex-Hashtag (Instagram-Beispielbild rechts).
Motor Manuskripte: Am 28. April fängt Tim Renner („absichtsvolle Fehlbesetzung“) als Kulturstaatssekretär in Berlin an. Der Buchreport hat hier eine Veranstaltung zusammengefasst, die zu Widerspruch gereizt hat. Renner antwortet via Facebook: „Ja, auch ich finde es schwierig wenn der stellvertretende Feuilleton Chef der FAZ Platthaus über Reden schreibt, die er gar nicht gehört hat, über Veranstaltungen schreibt auf den er nicht anwesend war (…) und dabei nicht einmal die Quelle nennt (er klaubte ein paar Zitate aus dem Buchreport), aber deshalb die ganze Presse über einen Kamm zu scheren, wie hier in Island, das finde ich auch falsch.“ (Bild)
In eigener Sache: Über Hate Radio sprach ich vor-vergangene Woche mit Max von Malotki on Air, davor im Freitag (und daher auch im Bildblog, wie schön). Mit dem Lieblingsradio 1LIVE geht es Ende dieser Woche weiter. Am Freitag spreche ich über unser neues Audiolayout auf der Wissenschaftskonferenz „Sounds, Klänge, Töne“. Eingeladen hat mich das Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und das Line-Up der drei Tage ist chic. Im LesenMitLinks-Blog gibt es neue Texte zu Nora Gantenbrink und den Sammelband „Der Tatort und die Philosophie“. Im Tumblr habe ich eine Wuppertaler Leseecke hochgeladen: Den offenen Bücherschrank am Laurentiusplatz (Bild).
Konsuminventur
Automatensupermärkte: Ausgerechnet im spießigen Hamburg-Winterhude steht jetzt „Die lütte Kiste“ (Bild), ein Drogerieautomat, in dem sich die Latte-Macchiato-Mamas heimlich einen Vibrator ziehen können. Warum man nicht wenigstens ein Fach für erbauliche Lektüre (hier die Sukultur-Automaten) oder die Tüte Gras (in Colorado gibt es nun den Haschisch-Automaten „Zazzz“) gelassen hat, bleibt ein Rätsel. Zu meinen Lieblingsautomaten gehören jene für Frikandeln in Holland, die XXL-Automaten aus Österreich und dieser Coca-Cola-Automat. Einen schönen Automaten-Überblicksartikel gibt es im Fraunhofer-Forschungs-Blog – dort hat man inzwischen sogar einen Tell-Automaten entwickelt.