In „Pudelmützes Bücherwelten“ ging es in dieser Woche eben hier heiß her. Der Vorwurf: Bestsellerlisten werden manipuliert. „Nein – nicht von den großen Verlagen. Oder von denen weiß ich es zumindest nicht. Es geht eher um die ‚kleinen‘ Autoren, jene die im Netz meist eine sehr eingeschworene Fangemeinde haben. Jene die oft keinen Verlag haben.“ Denn die laden regelmäßig zu so genannten Buchkauf-Flashmobs ein, die alle Fans motivieren sollen, zur exakt gleichen Zeit ein E-Book zu erstehen. „Ich persönlich finde solche Aktionen dreist. Denn die Leser werden mehrfach beschissen. Zum einen werden jene beschissen die nichts von der Aktion wissen und zum anderen die fleißig ihr Geld ausgeben und zwar ein eBook bekommen das vielleicht sogar gar nicht so schlecht ist.“ Ich kann das überhaupt nicht einschätzen, finde es dennoch interessant, wie die gesamte Selfpublisher-Szene, die schwer überschaubar ist.
Selfpublisher zum Zweiten: Die in der Tolino-Initiative kooperierenden deutschen Buchhändler haben seit einer Woche ihr eigenes Selfpublishing-Portal. Das Projekt hat die selbst gestellte Deadline (“Ende April”) damit gerade noch eingehalten. Das Portal ist unter www.tolino-media.de verfügbar. Die Registrierung ist kostenlos; derzeit werden allerdings nur Autoren aus Deutschland, der Schweiz und allen EU-Ländern für den Vertrieb zugelassen. Die deutschen Tolino-Händler rund um Thalia, Weltbild, Hugendubel, Libri ermöglichen den Autoren, ihre E-Books direkt auf die neue, von Tolino Media (ehemals Pubbles) betriebene Plattform hochladen.
Vom Zauberer lernen: Der Senat der Universität zu Lübeck überlegt, die Hochschule umzubenennen in Thomas-Mann-Universität – beim Jahresempfang war sogar Thomas-Mann-Darsteller Armin Mueller-Stahl geladen (Bild). Bis zum Sommer soll über die Namensgebung entschieden werden. Kritischen Stimmen wehren sich dagegen, weil sie die Umbenennung ausgerechnet in Lübeck für unpassend halten. An der Lübecker Universität gibt es nämlich keine geisteswissenschaftliche Fakultät. Bei einer Umfrage auf dem Campus hat sich die Mehrheit gegen die Namensänderung ausgesprochen. Im „Zauberberg“ kamen die Humanmediziner auch nicht wirklich gut weg.
Facebook-Salon: Ijoma Mangold, Literaturchef der ZEIT, beschreibt in einem vielbeachteten Text, warum ihn Zeitungsdiskurse ermüden, „aber sowie dieselbe Debatte in den verschiedensten Facebook-Teilöffentlichkeiten nachbearbeitet, fortgeschrieben, durchargumentiert, variiert und entgrenzt wird, wache ich wieder auf und fange Feuer.“ Ulrich Greiner (Bild) hat vom Olymp herab geantwortet: „Nichts ist billiger und leichter, als eine Meinung zu haben. Je dümmer ein Mensch ist, umso mehr Meinungen hat er.“ Wer sich lieber im Echtraum treffen möchte: Auch der Ullstein-Verlag hat ab heute seinen eigenen, aus dem Resonanzboden-Blog entstandenen Salon. Mit dabei: Tim Renner.
Von den alten Männern: hin zu den jungen Frauen. So ist’s Recht – beim Lyrikertreffen Münster, das übermorgen beginnt. Das Gedicht, durch die Verleihung des Leipziger Buchpreises an Jan Wagner (hier im Blog und dort verteidigt vom Poetenladen) müsste jetzt ein gewaltiger Ansturm stattfinden auf die Veranstaltungen von Heldinnen wie Daniela Danz (die ich im vergangenen Jahr auch zur Wuppertaler Nibelungenlied-Veranstaltung eingeladen hatte), oder auch die tolle Uljana Wolf (Bild) und Léonce W. Lupette, Jahrgang 1986, die bei Luxbooks veröffentlicht. Und: Zum zwölften Mal verleiht die Stadt Münster einen Preis für einen Gedichtband des amerikanischen Lyrikers Charles Bernstein.
In eigener Sache: Eine wichtige Rubrik habe ich stets vernachlässigt – den Blogroll. Ab jetzt stelle ich in jedem Linkradar eine Seite vor und nehme sie eben hier auf. Den Anfang macht genius.com mit seinen historisch-kritischen, von den Nutzern kommentierten Lyrics, Literatur wie „The Waste Land“ von T.S. Eliot, sogar hermeneutisch inspirierte Sportanalysen mit Quellennachweis. Es gibt seit einiger Zeit eine deutsche Sektion, wo beispielsweise die Lyrics von Haftbefehl, in besseren Momenten weniger peinlich auseinander gepflückt werden, als bei Professor Dr. Sven Hanuschek in der VICE. Zudem wird die Seite für den Schulunterricht aufbereitet.
Konsuminventur
Blogroll_2: Die ohnehin empfehlenswerte Wissenschaftszeitschrift Pop, Kultur und Kritik, schreibt nicht nur über „Pop als distinktiver intellektueller Selbstentwurf der 1980er Jahre“, die „Strukturlogik des Tourismus“ oder auch „The Dilettantish Construction of the Extraordinary or the Authenticity of the Artificial Tracing Strategies for Success in German Popular Entertainment Shows“. Sie hat auch eine eigene, von Wolfgang Ullrich initiierte Rubrik, die sich mit dem Warenalltag auseinandersetzt; Die „Konsumkritik“, in der es mal um das „Nokia Lumia 1020“ oder um „Allzweckreiniger“ geht. Die aktuellste Kritik von Ulrike Keuper beschäftigt sich mit L’Oréal und der DNA-Doppelhelix.