Tausend Euro hat Verbrecher-Verleger Jörg Sundermeier monatlich in der Tasche – nachzulesen in diesem Merkur-Vorabdruck zur Literaturkritikdebatte des Frühjahrs 2015. Interessant ist auch diese Beobachtung von Ekkehard Knörer: „Erstaunlich ist am ehesten noch, dass bislang kein Organ nach dem Vorbild der London oder New York Review of Books oder, zeitgemäßer, der nur online erscheinenden neueren Los Angeles Review of Books die größer werdende Lücke zu füllen versucht.“ – Blogs wie LesenMitLinks versuchen Ähnliches durchaus (und denken derweil über Geschäftsmodelle nach). Doch nicht erst seit dieser Woche wird über das Verhältnis von Blogs zum klassischen Journalismus nachgedacht, gestritten et cetera. Zugleich sind Fragen offen der Art: Ist nur ein nichtverkaufter Krimi ein guter Krimi? Wie gaga kann eine Autorin sein? Wo ist meine 9/11-Kaffeetasse? Und wie steht’s eigentlich mit dem Sex im E-Book-Bereich? (Zu empfehlen ist das „Erotica“-Werk von Hannes Bajohr)
Reif fürs Museum: Das sind die Devotionalien, die im jüngst eröffneten Österreichischen Literaturmuseum hergezeigt werden. Ein „großer Wurf“ urteilt die NZZ. Aus jener Wiener Sammlung stammt auch das Beitragsbild. Es zeigt eine handschriftliche Fassung von Franz Werfel: ‚Die vierzig Tage des Musa Dagh’ aus dem Jahr 1938. Auf zwei Ebenen findet sich in den denkmalgeschützten Räumen eine Dauerausstellung, auf einer dritten Ebene werden ab 2016 Sonderausstellungen zu sehen sein. Gezeigt werden „ein Krauthobel aus der Küchenlade Adalbert Stifters, Heimito von Doderers Morgenmantel, Peter Handkes Wanderschuhe oder ein Regiestuhl, auf dem Ernst Jandl gesessen ist.“
Blogroll: Mit dem Satz „Literaturblogger wollen gar keine Kritiker sein“ hat Caterina Kirsten (Bild) eben hier und hier für Aufruhr gesorgt. Die Aussage der Lektorin, Literaturagentin und Bloggerin ist zugespitzt. Auf ihrer „We read Indie“-Seite rezensiert sie mit ihrem Team seit 2013 Bücher aus klassischen Independent-Verlagen. „Die Kriterien der Kurt-Wolff-Stiftung [stellen] eine erste wichtige Orientierung dar, aber auch die Listen des Goethe-Instituts sowie auf Tubuk bieten einen guten Überblick über die Landschaft der Indie-Verlage.“ Die Bandbreite ist groß, geht von Alper Canigüz bis Markus Orths. Hinzu kommen (Branchen-)Interviews und eine gut sortierte Linksammlung.
Das U und E der deutschen Krimis: unterscheidet Lisa Kuppler in der FAZ. Besonders bissig ist diese Bildunterschrift: „Autoren von E-Literatur finden es schick, einen Krimi zu schreiben – Juli Zeh etwa. Gute Bücher werden das selten.“ Peter Huber vom „Crimenoir“-Blog gibt Kuppler durchaus Recht, sagt aber auch: „Irgendwie kann ich dieses Unterhaltungs-vs.-ernste-Literatur-Gejammer nicht mehr hören.“ Er glaubt nicht, dass gute Krimis allein jene sind, die sich nicht gut verkaufen „So werde ich das Gefühl nicht los, dass es da draußen viel Qualität gibt – auch was deutsche Krimis betrifft. Ich nenne da spontan Jan Costin Wagner (Coverausschnitt), Horst Eckert, Norbert Horst und Tom Hillenbrand.“
Während du schliefst: Autor, Philosoph, Vortragsredner, Querulant Kai-Eric Fitzner (Bild) steht mit seinem Buch „Willkommen im Meer“ auf Platz 1 der Amazon-Bestsellerliste. Dabei ist das selbst publizierte Werk seit 2006 erhältlich. „Der Online-Buchhändler teilte gegenüber NDR.de mit, dass das Unternehmen auf seinen kompletten Erlösanteil verzichten wird. Somit gehen pro verkauftem Buch nach Abzug von Steuern und Druckkosten mehr als sieben Euro an Fitzners Familie. (…) Der 45-jährige liegt seit einem Schlaganfall in der vergangenen Woche im Koma. Um seine Frau und die drei Kinder finanziell zu unterstützen, wurde in sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, sein (…) Buch zu kaufen.“
Mit letzter Tinte: Ist „Blasmusikpop“-Autorin Vea Kaiser augenscheinlich jetzt schon unterwegs. Dem österreichischen Magazin „The Gap“ gab sie kürzlich ein Interview und lehnte sich weit aus dem Fenster bzw. an eine Kuh (Bild), während sie Peter Handke das Schreiben verbieten wollte. „Bei Menschen ab 70 muss man sich halt auch fragen, wie viel sie noch von dem, was passiert, verstehen.“ Die Welt schreibt: „Sie habe jetzt so schnell mit dem zweiten Buch namens „Makarionissi oder Die Insel der Seligen“ (Kiepenheuer & Witsch) nachgelegt, um zu beweisen, dass sie „nicht nur ein One-Hit-Wonder war“. Spätestens mit diesem Interview ist freilich bewiesen: Im Literaturbetrieb gibt es auch No-Brain-Wonder.“
Konsuminventur
9/11: Dass man aus jedem Scheiß Geld machen kann beweist dieser Museumsshop am Ground Zero. Neben Spielzeugmodellen der New York Fire Police (Bild) gibt es hier „United We Stand“-Decken, schwarz-weiße „Darkness Hoodies“ mit Twin-Tower-Aufdruck (für 39 $) und dem Claim „In Darkness We Shine Brightest“. Es gibt Bronze-Ohrringe vom „Survivor Tree“ und für den richtigen Start in den Tag 9/11-Kaffeebecher. Es werden FDNY-Rettungswesten für Spürhunde ausgelegt, eine „Flag of Honour“ zum zehnten Jahrestag, herzförmige Steine mit Sinnsprüchen (ebenfalls 39 $).Da fehlen nur noch Twin Tower-Reste in Plexiglas, abgeschaut bei diesen sehr hässlichen „Berliner Mauer“-Souvenirs.