Fritz J. Raddatz hat eine neue Kolumne und blamiert sich aus dem Stand. Ein Großverlag verklagt Voland & Quist. Die Uckermark-Arztsohn-Debatte nimmt kein Ende. Aus Löffeln bauen wir uns eine Lampe und schaudern vor den hässlichsten DIY-Bücherregalen der Welt. Hier im LesenMitLinks-Linkradar der Woche.
Fritz J. Raddatzs (Bild) neue Kolumne heisst „Der Nörgler“ und beschreibt aktuell „Was man bei Suhrkamp vergeblich suchte.“ Der ehemalige ZEIT-Feuilletonchef beklagt: „Die internationale Avantgarde – Sartre; Updike; Genet; Gombrowicz, García Márquez, Borges, Michaux, Camus; Mallarmé; Pessoa – es ist eine umfangreiche Bibliothek von Autoren, deren Werk durchaus nicht das Suhrkamp-Signet ziert (…) von A wie Améry über B wie Baldwin und C wie Céline bis zu W wie Virginia Woolf und Y wie Yeats: Obhut im Hause Suhrkamp fand keiner von ihnen. Keine Susan Sontag und keine Sarah Kirsch, noch die herrliche Lasker-Schüler, kein Kempowski.“
Nun wird die Kritische Ausgabe von Else Lasker-Schüler im Jüdischen Verlag des Suhrkamp-Hauses veröffentlicht. Uwe Wittstock lästert auf Facebook: „Kaum schreibt Raddatz eine Glosse, gleich ist wieder was falsch: die Horkheimer Gesamtausgabe erschien bei S.Fischer.“ Auch gäbe es mitnichten nur vier deutschsprachige Literaturnobelpreisträger seit 1945. Zwei sind sogar Suhrkampautoren: Hesse (1946) und Sachs (1966). Dazu kommen: Böll (1972), Canetti (1981/Bild), Grass (1999), Jelinek (2004), Müller (2009). Schöner Kommentar von FAS-Feuilletonchef Claudius Seidl: „Fakten sind nicht so sein Ding, Gedanken allerdings auch nicht:“
Dromer-Knaur hat, vermutlich durch die Autoren getrieben, gegen Voland & Quist den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Es geht um den Band „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“. Das drohende Ordnungsgeld liegt bei bis zu 250.000 Euro. Voland & Quist beweisen in ihrer Pressemeldung Humor: „Hart trifft uns der Vorwurf des Verlags Droemer Knaur, unser Autor Julius Fischer würde sich mit dem von ihm gewählten Buchtitel (…) ‚in höchstem Maße respektloser und ignoranter‘ Weise über das ‚traurige Schicksal der Wanderhuren im Mittelalter‘ lustig machen. Diesen Vorwurf weisen wir in aller Schärfe zurück.“ Klingt nach Pierre Brice, der Winnetous Erbe von Bully beschmutzt sieht.
Auf Facebook hat Leif Greinus (Bild) auf den gerade eingestellten SPIEGEL-Artikel zum Thema Bezug genommen: „Ein Verlagssprecher von Droemer Knaur will zwar grundsätzlich das laufende Verfahren nicht kommentieren. Er merkt aber an: ‚… Da auf kollegialem Weg keine diesbezügliche Einsicht erkennbar gewesen sei, müsse nun ein Gericht entscheiden.‘ So sieht der kollegiale Weg aus: Am 02.12.13 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung erhalten, welche bis 04.12.13 unterschrieben sein sollte. Und bis 06.12.13 sollten die Abmahnkosten für deren Anwalt beglichen sein. Das als kollegial auszulegen, ist ein bisschen ironisch.“ (Mehr gibt es hier.)
Debütant Fabian Hirschmann (Bild) ist für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und schlittert in die „Arztsohndebatte“ (hier eine Zusammenfassung). Richard Kämmerlings schreibt, das Buch gäbe „den Kritikern der Schreibschul-Blutleere leider recht.“ Im Freitag geht es weiter im Metabereich mit der Klage, dass nur noch der Inhalt, nicht die Sprache zählt. Auf selbstreferentiellem Feld ist dank Maxim Biller ein Uckermark-Migrationsabzweig entstanden, der unserer Literaturszene Rassismus unterstellt. Mirko Wenig hält dagegen. 1LIVE Klubbing hat Fabian Hirschmann für den Mai eingeladen. Hier habe ich versucht, „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ in eine Ordnung zu bringen.
Enno Stahl schreibt in der tageszeitung unter der Überschrift „Die Bewahrerin“ über das sozialpolitisch höchst zweifelhafte Engagement von Juli Zeh (Bild): „Juli Zehs ‚Angriff auf das digitale Imperium‘ ist völlig anders geartet. Ihr vehementer Kampf für die Bürgerrechte verschleiert, dass es ihr um alle Bürger gar nicht geht. Wenn man ihre eigenen Ausführungen nachvollzieht, begreift man, welche „Freiheit“ in der von Zeh gestarteten Petition gegen die NSA gemeint ist, es ist jene Freiheit, die ein Heer von Ausgeschlossenen in den europäischen Gesellschaften längst verloren hat. Es ist die Freiheit, von der Joachim Gauck, Bundespräsident, auch immer redet. Die Freiheit der Wohlhabenden.“
In eigener Sache: Neue Texte gibt es auf 1LIVE.de über Nora Gomringers „Monster Poems“, und Dorian Steinhoffs „Das Licht der Flammen auf unseren Gesichtern“. In 1LIVE Klubbing liest kommende Woche Freitag Monika Radl aus „Das grüne Jahr“. On Air war ich unter anderem mit Elizabeth Ellens „Die letzte Amerikanerin“ (hier nachzuhören mit Moderator Ingo Schmoll) und mit Literatur zum Thema Lust, mal wieder für Mr. Dicks. Im Blog gibt es neue Texte zu Jane Rogers’ „Das Testament der Jessie Lamb“ (Bild), Michael Weins’ „Goldener Reiter“, Generationenbücher und Oliver Polaks „Ich darf das, ich bin Jude“. Wer die Teneriffa-Sendung verpasst hat – hier geht es zum 1LIVE-Link.
Konsuminventur
Wir lieben DIY und Crafting seit Holm Friebe und Thomas Ramge mit „Marke Eigenbau“ ein „Buch über das Stricken“ (Sascha Lobo) geschrieben haben. Vor diesem Phänomen macht die Buchszene freilich nicht Halt – und ausnahmsweise ist nicht Self-Publishing gemeint. Es gibt unzählige „Inspirationen“ für den Bau von Bücherregalen (obwohl dieser Löffellampenschirm auch bemerkenswert ist). Man findet umgebaute Flügel, massengefertigt in dieser noch schlimmeren Variante. Weitere Anregungen gibt es hier (vom Skateboard- bis zum Gürtel-Bücherregal). Wir aber bleiben unkreativ, nutzen schmale Regale ohne Schnörkel und hören zur steten Mahnung an den guten Geschmack „Me, My Shelf & I“ von Ludwig Amadeus Horzon.
[…] Entscheidung ist falsch“, sagt Rechtsanwalt Thomas über das Urteil vom LG Düsseldorf gegen Voland & Quist. „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ müssen eingestampft werden. Thomas: „Auch wenn […]
[…] bisher geschah:Die „Wanderhuren“-Erfinder haben den verdienstvollen Verlag Voland & Quist vor den Kadi gezerrt und sich beklagt, Autor Julius Fischer habe sich ‚in höchstem Maße […]
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