Sehr viel Sammelarbeit – wichtig in der weiterhin anhaltenden Dissertationsphase – hat Caterina Kirsten mit ihrer „Netzrundschau“ hier im SchoeneSeiten-Blog abgenommen. Sie berichtet von der Leipziger Buchmesse, nimmt mal wieder anschwellende Debatte über die Bedeutung von Buchblogs auf (dazu mehr weiter unten in diesem Linkradar) und sie stellt den Start des lang angekündigten Onlinemagazins „tell“ vor (hier auf „Lesen mit Links“). Ich beschäftige mich heute mit Benjamin von Stuckrad-Barre, den neuen GfK-Zahlen zum Buchmarkt, mit William Shaespeare und mit Imre Kertéz. Dass ich vor wenigen Minuten erfahren musste, dass Lars Gustafsson tot ist finde ich zu traurig, um an dieser Stelle näher darauf einzugehen (wir waren Facebook-Freunde und beobachten uns gegenseitig mit Neugierde). Stattdessen schließe ich das Internet für heute und lese „Der Mann auf dem blauen Fahrrad.“ Das Beitragsbild aus dem empfehlenswerten Bildband „Dust & Grooves“ und zeigt den Plattensammler Joe Bussard.
Sonett Signatures: Am 23. April 1616 starb William Shakespeare in Stratford-upon-Avon. „Wired“ berichtet hier mal wieder von dem bewundernswerten US-Künstler Nicholas Rougeux, der sich mit dem Gedichtband „Shakespeares Sonette“ aus dem Jahr 1609 beschäftigt hat. „Der Daten-Designer zeigt die 154 Sonette des englischen Dichters als verschnörkelte, abstrakte Zeichnungen, die aussehen, als hätte jemand gerade unter Zeitnot seine Unterschrift gekritzelt – mit mathematischem System: Er weist jeder Zeile eines Sonetts einen Koordinatenpunkt auf einem Graph zu, basierend auf der Anzahl der Buchstaben (X-Achse) und ihrem durchschnittlichen Wert (Y-Achse) — jeweils exklusive Satzzeichen. Jedem Buchstaben wird ein Wert nach dem Schema a=1, b=2, c=3 etc. zugeteilt. Dann wird die Summe aller Buchstabenwerte durch die Anzahl der Buchstaben in der entsprechenden Sonettzeile geteilt.“
Blogs: „Die Erwartung vom Buchbloggen leben zu können halte ich für völlig überzogen. Wo die wenigsten Autoren vom Schreiben leben können, ist es absurd zu erwarten, dass vom Kuchen genug abfällt, um ein ordentliches Einkommen zu erzielen.“ Das schreibt Tobias Zeising (Bild) hier im Lesestunden-Blog. Dagmar Eckhardt ergänzt: „Auf Verlagsseite kann ich mir vorstellen, dass Buch-Blog-Aktionen von vornherein im Marketing-Etat verankert werden – mit einer Bezahlung für die ausgewählten Blogs. Aber wer mit seinem Buch-Blog Geld verdienen will, muss noch mehr Zeit investieren. Lesen und rezensieren ist lediglich die Basis-Arbeit.“
Urban Prayers: Am heutigen Sonntag lief in der schönen Deutschlandradio Kultur-Sendung „Sein und Streit“ (kalauernde Heideggerfans nicken ob des Titels) meine Besprechung des Buchs „Was glaubt ihr denn? – Urban Prayers“ von Björn Bicker. Der Münchner Theatermann hat verschiedene Religionsgemeinschaften in Deutschland besucht und kann berichten von der Art und Weise, wie Gläubige hierzulande leben, wie sie sich behaupten gegen die Anwürfe vermeintlich aufgeklärter Atheisten, wie sie aber auch untereinander schaffen, in friedlicher Koexistenz ihre Religion auszuüben. Mehr zum Buch habe ich hier im Blog veröffentlicht.
Am 31. März starb der ungarische Literaturnobelpreisträger Imre Kertész in Budapest; wie zahlreich verabschiedeten sich etliche Geistesgrößen für immer, im ersten Viertel des Jahres 2016. Durs Grünbein würdigt in F.A.Z. jenen Autor, der weltbekannt geworden ist durch seinen „Roman eines Schicksallosen“ als „Niemals-Mitläufer, Verächter sämtlicher Ideologien“ und nennt ihn den „größten Morallehrer meiner Zeit, ein echtes Vorbild fürs Leben.“ Spiegel.de schreibt: „Kertész war ein der Welt, wie wir sie schön und wertvoll finden, Abgewandter.“ Andreas Breitenstein schreibt in der NZZ: „Imre Kertész kämpfte gegen jede Art von Verkitschung entschieden an, kulturindustriell betriebene ‚Vergangenheitsbewältigung‘ war ihm ein Greuel. Das Dunkle in lichte Gedanken zu fassen, sah er im Umgang mit ‚Auschwitz‘ als höchstes Gebot. ‚Wer aus dem KZ-Stoff literarisch als Sieger hervorgeht, lügt und betrügt todsicher‘, so formulierte er seinen fundamentalen Einwand gegen eine Kunst, die angesichts des Unfasslichen nur zu kurz greifen kann.“
Pausenvideo
Vor wenigen Wochen traf ich Benjamin von Stuckrad-Barre im Kölner Grand Hotel „Excelsior“, direkt neben seinem Verlag Kiepenheuer & Witsch und sprach mit ihm für den Bayrischen Rundfunk und den Deutschlandfunk (hier kann der Beitrag nachgehört werden) über sein neues Buch „Panikherz“. Mehr gibt es auf der „Büchermarkt“-Seite des Deutschlandfunks – für den ich morgen ab 16:10 Uhr die erste Sendung moderieren werde.
Konsuminventur
Der Umsatz sinkt: Zur Leipziger Messe hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) Zahlen zum deutschen Buchmarkt vorgelegt. Das Börsenblatt berichtet hier: „Der Anteil der Käufer, die sich Lesestoff nur im Laden kaufen, reduzierte sich seit 2007 von 70% auf 52%. Parallel wuchs der Anteil der Käufer, die sich Bücher nur noch online besorgen, von 9% auf 22% – und der Anteil der Sowohl-als-auch-Käufer von 21% auf 26%.“ Wer beide Verkaufskanäle nutzt, hat 2015 im Schnitt 273 Euro ausgegeben. 4,07 Milliarden Euro hat die Branche 2015 umgesetzt (was ein Minus von zirka einem Prozent bedeutet). Streamingdienste werden dagegen verstärkt genutzt.