Linkradar: Buchpreis, Gitarrenfrauen, Nazilyrik

„Gedanke: Ist ein Feuilleton, das keine Bücher bespricht, die älter als ein halbes Jahr sind, nicht eigentlich eine erweiterte Marketingabteilung?“ Das fragte sich der Schriftsteller Martin Mandler vor wenigen Tagen auf Facebook und daraus könnte man beinahe eine Debatte machen. Über die Abhängigkeit vom Geld im Literaturjournalismus werde ich in den kommenden Wochen nachdenken, weil ich Ende November zu diesem Thema einen Vortrag bei der Feuilletontagung an der Universität in Graz halten werden. Deshalb probiere ich ein paar (für mich) neue Sachen aus. Diskutiert wurde in dieser Woche über die Shortlist des Deutschen Buchpreises, über das Social Reading zu Clemens Setz’ neuem Roman, natürlich auch über die Flüchtlinge in Europa, über die wahnwichtelnden Reaktionen der Rechten – und über die Frage, wer in welcher Weise berechtigt ist, „wahre“ Aussagen über Literatur zu treffen. (Das Beitragsbild hat die Facebook-Erinnerungsfunktion an die Oberfläche gespült und zeigt ein Buchhandlungsbild, das ich vor zwei Jahren während der „Thomas-Mann-Tagung“ in Bonn geschossen hatte.

Bärenstark: Zweimal geht es im „Spiegel“ um Astrid Lindgren, deren Kriegstagebücher bald bei Ullstein erscheinen – und eine vorab hoch gelobte Biographie von Jens Andersen bei der DVA. Nebenbei kam heraus, dass Harry Södermann, Direktor des Kriminaltechnischen Instituts in Stockholm und Vorlage für Lindgrens „Kalle Blomquist“ die Bundesregierung Adenauers vor der „Organisation Gehlen“, Vorläufer des BND, gewarnt hatte. Die Gehlen-Truppe sei „völlig unkontrollierbar“ und vertrete „ausländische Interessen“. Die Amerikaner betrieben den neuen Geheimdienst zunächst als Dienststelle der US-Armee, später, am 1. Juli 1949, übernahm ihn die im Jahre 1947 gegründete CIA.

Ohne TitelFaktencheck Asyl: Die ORF-Redakteurin Simon Hadler erzählt in der „Hanser Box“ mit Die Angst vor dem „Ansturm“. Faktencheck Asyl u.a. von politischen Fehleinschätzungen im Rahmen der Debatte und vom Alltag in Flüchtlingslagern in Jordanien und Österreich. In der aktuellen Situation macht der Hanser Verlag diesen Beitrag zur Flüchtlingsdebatte kostenlos zugänglich. Das E-Book kann mit dem Code „refugeeswelcome“ bis einschließlich 30. September eben hier gratis heruntergeladen werden.

DBPLeseproben2015_3D_Cover_V2Setzen, Setz: Nicht gut weg kam die Shortlist zum Deutschen Buchpreis u.a. bei Welt-Feuilletonchef Richard Kämmerlings, der hier schrieb: „Nichts gegen Buchhändlerinnen, Festspielintendanten oder auch andere passionierte Leser – in einer Jury für den besten Roman des Jahres haben sie dennoch nichts verloren.“ Nach der Sammlung hier im Blog ergänzte er charmant unter meinem Facebook-Post: „Warum sind denn Leute wie Du nicht in der Jury? Da gehörst Du nämlich hin.“ Die ersten Reaktionen hat der Buchreport gesammelt.

Buchhandlung-Kafka_Co-Detmold_copyright_Dirk-SchelpmeierKafka & Co.: So heißt eine der prämierten Läden des Deutschen Buchhandelspreises 2015 (Bild: Dirk Schelpmeier). Rampenlicht für den Buchhandel. Auch Volker Weidermanns Aussage, dass er sich Buchhändler als Gäste des Literarischen Quartetts vorstellen könnte, hilft. Buchhändler sind keine Kritiker – doch wie steht es mit den Bloggern? Michael Kluger schrieb bei Facebook: „Ich habe jetzt mit mehreren (prominenten) Schriftstellern gesprochen, sie lesen keinen Blog, interessiert sie nicht, was unausgewiesene Leute schreiben.“

Pausenvideo

„Lasst uns dieses Land bewahren / aus dem Dreck muss dieser Karren.“ Susanne Andrea Helfenbein heißt diese patente Nachwuchslyrikern aus dem Pegida-Umfeld, über die Bayern 2-Kollege Christian Schiffer auf Facebook schrieb: „Ach, wenn mich nicht alles täuscht, wäre das doch ein halbwegs brauchbarer Jambus gewesen! Aber dann verkackt sie es ausgerechnet bei „Deutschland“. Noch nicht mal Versmaß können sie, die Nazis.“

Konsuminventur

Ohne TitelLousy Pennies: So heißt einer der interessantesten Blogs „übers Geldverdienen mit (gutem) Journalismus im Netz“. Nachdem mir in der vergangenen Woche angeboten wurde, auf meinem Blog irgendetwas über Filme zu schreiben und dafür Geld von Maxdome zu kassieren (was ich abgelehnt habe), mache ich mir Gedanken über Verdienstmöglichkeiten mit dem Blog. Den Anfang macht dieser semi-chice Button unterhalb der Texte, frei nach dem Brainpickings-Motto: „donating = loving“. Fühlt Euch eingeladen. Danke.

Jan Drees

Ich bin Redakteur im Literaturressort des Deutschlandfunks und moderiere den „Büchermarkt“.

Im Jahr 2000 erschien mein Debütroman „Staring at the Sun“, 2007 folgte ein überarbeiteter Remix des Buchs. Im Jahr zuvor veröffentlichte der Eichborn-Verlag „Letzte Tage, jetzt“ als Roman und Hörbuch (eingelesen von Mirjam Weichselbraun). Es folgten mehrere Club-Lesetouren (mit DJ Christian Vorbau). 2011 erschien das illustrierte Sachbuch „Kassettendeck: Soundtrack einer Generation“, 2019 der Roman „Sandbergs Liebe“ bei Secession. Ich werde vertreten von der Agentur Marcel Hartges in München.

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