Champagnerkorken knallen: Gerade wurden die Preisträger des Schweizer Literaturpreises bekanntgegeben – schon regt sich grummelnder Widerstand. Die Basler Zeitung schreibt mit Blick auf das Preisgeld, das an die Autoren, aber eben nicht an die Verlage ausgeschüttet wird: „Warum nicht einen Teil umlenken? Schliesslich ist Gefahr im Verzug. Die Gefahr, dass ein Autor seinen Batzen bekommen hat – aber keinen Verlag mehr für sein nächstes Buch.“ Etwas Neues hat sich weiland Amazon ausgedacht – ein Scanprogramm als Kampfansage, mit dem jeder seine Papierbibliothek auf den Kindle ziehen kann (sofern er die Muße hat, mehrere Millionen Seiten zu digitalisieren). Außerdem in diesem LesenMitLinks-Linkradar: Eine Kritikerdebatte, ein großartiger Film vom MDR, Terror als Text und die Bücher der Woche. (Das Beitragsbild ist vom ohnehin empfehlenswerten BookDesignBlog).
Superverlegerbasteln: Das geht bis zum 7.2. auf dieser chicen Seite, die eingerichtet wurde zur UV-Lesung der unabhängigen Verlage, die seit fünf Jahren existiert, nun auch offiziell beim Amtsgericht eingetragen wurde. Ziel ist es, mit Postkarten und lebensgroßen Pappfiguren Geld an Land zu ziehen. Bis zum Indiebookday am 21. März dürfte das Budget beisammen sein. Viele Indie-Verlagsautoren trifft man morgen bereits bei der HAM.lit auf St. Pauli. Bei der Kurt-Wollff-Stiftung haben sich die unabhängigen Verleger übrigens gerade im Vorstand ausgewechselt. Sebastian Wolter legt Kollege Leif Greinus frei erfunden auf Facebook in den Mund: „Die Anrede ‚Ihro Majestät‘ habe ich abgelehnt.“
Literaturdebatte: Bezug nehmend auf meinen Freitag-Text zum „Social Turn“ (eine mit dieser Tagung verbundene Antwort auf Florian Kessler) watschte Verbrecher-Verlagsleiter Jörg Sundermeier (Bild) in diesem Interview die hiesige Literaturkritik ab. Den ersten Teil der Reaktionen habe ich an dieser Stelle im Blog veröffentlicht – in dem kommenden Tagen folgen weitere. Aufgenommen wurde daraufhin LesenMitLinks unter anderem in Karla Pauls Buchkolumne, in der Blogumschau und in die Efeu-Kulturrundschau auf spiegel.de. Gerrit Bartels bleibt gelassen, der NDR diskutiert weiter und Jörg Sundermeier erwidert die Kritik an seiner Kritik an der Kritik bei Glanz und Elend.
Terror als Text: „Das größten Kunstwerk, das es je gegegeben hat.“ Mit diesen abscheulichen Worten reagierte der Komponist Karlheinz Stockhausen auf 9/11. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Kunst und Terrorismus? Um das zu klären traf ich Uwe Timm in München, sprach mit Bestsellerautorin Ulrike Draesner (hier im Blog) über die Geburt des internationalen Terrorismus beim Anschlag auf die Olympischen Spiele 1972. Und ich interviewte den jungen Geisteswissenschaftler Michael König, der gerade einen Band über „Poetik des Terrors“ vorgelegt hat. Am kommenden Sonntag läuft mein drittes Zündfunk-Generator-Feature im Bayrischen Rundfunk (von 22:05-23:00).
In eigener Sache: Auch wenn dieser Linkradar ohnehin schon selbstreferentiell geraten ist – es gab noch mehr Sachen von mir in den vergangenen Tagen, die an verstreut liegenden Stellen veröffentlicht wurden. In 1LIVE Plan B sprach ich mit Moderatorin Christiane Falk über Teju Coles‘ Nigeria-Reisebericht „Jeder Tag gehört dem Dieb“ (Coverausschnitt rechts), über David Monetagudos Mysteryroman „Wolfsland“ und über Alfred Hayes‘ Hetärenklassiker „In Love“ aus den 1950er Jahren. Für den Freitag besuchte ich Bastian Pastewka in Solingen (den Text gibt es hier in ungekürzter Fassung). Und ich mache wieder mit in der Jury für den „Ungewöhnlichsten Buchtitel des Jahres„.
Konsuminventur
Servicelächeln: Beeindruckt bin ich von dieser Fernsehreportage über die grundsympathische Tracy Schöffel (Screenshot). Die 22-Jährige arbeitet trotz Ausbildung auf 400-Euro-Basis in einer Tierarztpraxis, schuftet bei McDonald’s und abends verkauft sie, Erdbeerbowle auf der Waldbühne. Natürlich begeistern uns Geschichten von ausgebeuteten Menschen, die dennoch den Kopf oben behalten. Das rührt den FDPler, das taugt zum „American Dream“-Movie – aber das ist vor allen Dingen vollkommen unakzeptabel. Und was sich Arbeitnehmer von ihren unverschämt grinsenden Chefs teilweise sagen lassen müssen: ätzend. 2013 starb eine Multijobberin an Überarbeitung, schon vergessen?