Der Dichter dieser Woche ist natürlich Jan Böhmermann, der mit seinem Erdogan-Schmäh mehr Aufmerksamkeit bekommt als alle anderen Lyrikkollegen der vergangenen 20 Jahre. Kollege Karsten Krampitz schlug mir vorhin auf Facebook vor, Böhmermann den „Leonie und Lena-Preis“ zu verleihen. Seine Begründung: „Ich meine, metrisch gesehen, in Sachen Versmaß, war sein Poem doch absolut korrekt. Oder? Ein lyrisches Plädoyer für mehr Mitgeschöpflichkeit, das einem das Herz öffnet.“ Ich kenne den kleinen, bleichen Jungen noch aus 1LIVE-Zeiten und ich kichere weiterhin über „Lukas‘ Tagebuch“ , in dem er seinen großartigen ersten Fake platzierte, als er Lukas Podilski den schönen Satz in den Mund legte: „Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel.“ Der Mann hat natürlich auch von mir und „Lesen mit Links“ jede Solidarität verdient. Halte durch, wir sind an Deiner Seite! – Eine schöne Tages-Presseschau gibt es übrigens nicht nur beim Perlentaucher, sondern auch bei Volltext, als Ergänzung zum Linkradar eben hier.
Blogger-Relations: „An sich sind Blogger keine Journalisten. Gerade in der Buchbranche sind es größtenteils junge Menschen, die sich mit großer Leidenschaft für das Lesen interessieren.“ Interessant berichtet das Börsenblatt hier über Buchblogs – für die in großen Häusern nicht die klassischen Presseabteilungen zuständig sind, sondern eigene Spezialisten. „Der richtige Umgang mit Bloggern fällt zeitintensiver als der mit Journalisten aus. Dies bezieht sich nicht nur auf Recherche und Auswertung, sondern auch auf den generellen Umgang. Hat man früher Journalisten via Pressverteiler eine Meldung geschickt, so gilt es heute Blogger individuell anzusprechen.“ Ich bin jedes Mal amüsiert, wenn mir ein Verlag, dessen Presseabteilung ich seit Jahren kenne, einen Brief mit dem ungefähren Inhalt schreibt: „Lieber Jan, mit Interesse lesen wir seit langer Zeit Deinen Blog und nun würden wir uns gerne vorstellen. Vielleicht hast Du ja Lust, mal eines unserer Bücher zu lesen? Wir haben ganz tolle Sachen im Programm.“
Am 3. April starb Lars Gustafsson nach schwerer Krankheit im Alter von 79 Jahren. Bereits 1957 debütierte der schwedische Philosoph und Schriftsteller mit dem experimentellen Roman „Wegesrast“. Der Kollege Andreas Platthaus, Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeit, schrieb in seinem Nachruf, niemand hätte vermuten können „dass dieser witzige, vitale und vor allem zutiefst menschliche Schriftsteller bald sterben würde. Gustafssons deutscher Verleger Michael Krüger kannte Lars Gustafsson seit etlichen Jahrzehnten, hat ihn bereits im Wagenbach-Verlag veröffentlicht – und später beim Hanser-Verlag großgemacht. In meiner ersten Sendung als neuer Moderator der Sendung“ Büchermarkt“ im Deutschlandfunk sprach ich tags darauf mit Krüger über einen seiner liebsten Autoren – ich habe das Telefonat eben hier hochgeladen. Im Hanser-Verlag erschien vor wenigen Wochen Gustafssons letzter Roman „Doktor Wassers Rezept“, übersetzt von Verena Reichel, 144 Seiten, 17,90 Euro.
Bereits 2012 beschrieb David Schuh auch anhand von Benjamin von Stuckrad-Barre, wie Volker Weidermann, ein „weder sympathischen noch unsympathischen Mann“, seine literaturkritische Karriere auf lediglich vier Begriffen aufgebaut hat. „Volker Weidermanns rhetorisches Repertoire erschöpft sich in den Begriffen Welt, Wahrheit, Wirklichkeit, Leben. Mit diesem Vokabular füllt Weidermann seine Kritiken, und ich als unbedarfter Hilfsarbeiter ohne Schulabschluß muß mich schon wundern, daß diese Methode in der Fachwelt nicht wenigstens für »Irritation und Erstaunen« sorgt, sondern akzeptiert wird, gar reüssiert. Falls Sie meinen, ich wollte mich mit haltlosem Geschwätz profilieren, dann sind Sie, mit Verlaub, ein dahergelaufener Wirrkopf, denn ich kann meine These belegen wie Frank Schirrmacher seine Brote: gründlich.“ Bei meinem Interview mit Stuckrad-Barre erzählte er mir bereits von der E-Mail, die ihm Weidermann nach der missglückten Sendung des „Literarischen Quartetts“ geschickt hatte, eine Lobeshymne mit all dem, was Weidermann im Fernsehen nicht
hatte sagen können. Später las er diese Mail im Radio vor, Alexander Osang hat protokolliert: „Am Anfang wollte die Moderatorin ihn noch aufhalten, Stuckrad-Barre aber rief, er wolle Gegenöffentlichkeit herstellen. Kritiker sollten öffentlich agieren und ihn mit privaten Mails verschonen. Er sei nicht auf Facebook und Twitter aktiv, deswegen suche er hier Gegenöffentlichkeit.“ Die Sache ist pikant, weil Stuckrad-Barre sich als Außenseiter einer Gang beschreibt, die ihn hochgejazzt hat. Sowohl Stuckrad-Barre als auch Maxim Biller, Weidermann und noch so viele mehr gehören zum KiWi-Clan, erscheinen natürlich eben dort (linkes Bild: Volker Weidermann / Wikipedia).
Pausenvideo
Der Comedian Scott Rogowski setzt sich mit Fake-Covern in die New Yorker U-Bahn und filmt die Reaktionen der verstörten Mitreisenden. Zu seinen erfundenen Titel gehören: Ass Eating Made Simple, Mein Kampf: for Kids!, How to Hold a Fart In, Slut-Shaming Your Baby, A Beginner’s Guide To Taxidermy und 1000 Places To See Before You’re Executed By ISIS. Bored Panda schreibt: „Think these fake books are funny? Then click here to see some hilarious titles that, believe it or not, are actually real.“
Konsuminventur
Abzocke oder clevere Idee? Ein Geschäftsinhaber aus Essen war es leid, Kunden zu bedienen, die nichts kaufen – deshalb verlangte er laut dieses Textes aus der WELT, einen Eintritt von 2 Euro. Diese wurden mit dem Einkauf verrechnet. Es ging ihm (angeblich) nicht ums Geld. Die WELT: „Vielmehr wolle er ‚ein bisschen Abwechslung in die Ladenlandschaft bringen. Die Innenstädte sind doch alle gleich.‘ Das zumindest hat funktioniert. Mehr als 20 Interviews habe er inzwischen zu dem Thema gegeben. Sogar der Einzelhandelsverband hat sich zu Pütz‘ Aktion geäußert – kritisch. Sie schrecke Kunden ab, so der Tenor.“ (Der Bildausschnitt ist aus dem Videobeitrag.)