Das erfolgreichste deutsche Fashionblog „Les Mads“ kommt jetzt mit eigenem Buch: Julia Knolle, Jessica Weiss und Illustratorin Silke Werzinger legen ihre wunderschöne „Modestrecke“ vor.
„Wir sind in New York einer Jacke mit Leopardenprint hinterhergejagt, haben in Berlin der müden Charlotte Gainsbourg in die Augen geschaut, haben uns Gedanken darüber gemacht, was Mode mit Humor zu tun hat, wieso plötzlich alle Shirts mit blauen Streifen tragen, sind der kleinen Wunderbloggerin Tavi begegnet, haben mit der magischen Tilda Swinton geplaudert und gelernt, was es heißt, seinen eigenen Stil zu finden: viele Fehlkäufe und sensationell schlimme Outfits mit Würde zu tragen.“ Die beiden Bloggerinnen Julia Knolle (28) und Jessica Weiss (26) haben gerade ihre erste „Modestrecke“ abgeliefert, eine Textcompilation, die hemdsärmelig Phänomene wie Cruise-Collections, einfache Stofftaschen mit Kalaueraufdruck („Ick bin ’ne Jute“) und „transparente Strukturen in Staubfarben“ verklickert.
Seit April 2007 schreiben die beiden Modefans („Fashion Victim“ klingt bei so viel Lässigkeit unangebracht) über Sonnenbrillen von Tom Ford, Trenchcoats von Acne, Streetstyle-Fotografie, Design-Ikonen und die Frage, weshalb eine Fernsehserie („Mad Men“) die Eleganz zurück in die Mode bringt. Eine Menge Stoff, im doppelten Sinn. „Es war eine Reise, auf der viele Abenteuer auf uns gewartet haben, eine Reise, die uns mehrfach um die Welt geführt hat. Das ist auch der Grund, warum unser Buch Modestrecke heißt. 52 Stationen, 52 Kapitel sind es geworden, die wir gemeinsam ersonnen und abwechselnd geschrieben haben“, heisst es im Vorwort – liebevoll umrahmt von Illustratorin der „red dot design award“-Gewinnerin Silke Werzinger.
Dieses Buch ist ein Muss für alle Vogue-Jukies (selbstverständlich reden wir hier von der britischen, nicht der deutschen Vogue), für Truman Capote-Fans, die bei Holly Golightly’s „kleinem Schwarzen“ in „Frühstück bei Tiffany’s“ in Ohnmacht fallen. Wir reisen zur London Fashion Week und sind danach mittendrin in einer Pro-Contra-Diskussion zwischen Sinn bzw. Unsinn von rotem Nagellack. Nebenbei werden Highlights eines Modebloggerlebens verewigt. Julia: „Eines Tages rannte ich auf der Kölner Ehrenstraße in Scott Schumann, der mich mit Fahrrad und viel zu kurzem Blumenkleid auf seinem Blog The Sartorialist verewigte.“
Dazu gibt es Listen, die Do it yourself-Modeplattformen im Netz (zum Unikate-Jagen) oder Tipps für Stockholm archivieren. Und für alle Nerds erklären die gut gestylten Damen nochmal den Unterschied zwischen „Haute Couture“ und „Prêt-à-porter“. – Haute Couture meint die „gehobene Schneiderei«, die große Kunst der Mode, die die maßgeschneiderten Kreationen großer (und auch einiger kleinerer) Modehäuser beschreibt. Im Gegensatz dazu meint Prêt-à-porter Kleidung, die „fertig zum Anziehen ist“ und in den meisten Fällen industriell massengefertigt und in Standardgrößen auf den Markt gebracht wird. Im Englischen wird von „Ready to Wear“ gesprochen, in Deutschland von Kleidung „von der Stange“.
Was soll frau beim ersten Date auf keinen Fall anziehen (High Heels) und was geht durchaus? Antwort: „casual, schwarz und nie aufgestrapst“. – Nach 220 Seiten weiss man, dass der schwarze Anzug bei Männern gegen 1850 „in“ wurde: „Vorreiter war der britische Dandy George Bryan Brummell, der das Augenmerk auf schlichte, aber perfekt sitzende Formen lenkte – und seine Stiefel Gerüchten zufolge mit Champagner zum Glänzen brachte.“ Wer hat die Strumpfhose erfunden, und was hat das mit Miniröcken zu tun? Weshalb ist die „sexy candy world“ aus Sophia Coppolas Kinofilm „Marie Antoinette“ zwar quietschig aber hip? Et cetera. Die ganze Zeit herrscht prächtige Stimmung, was bereits der Reiseeintrag auf Seite 180 über das Thema „gemeinsam Reisen“ und „Doppelbett“ belegt:
„Wie haben Jessie und ich uns über die skeptischen Blicke an der Rezeption amüsiert. Liebe deinen Nächsten – und alles klappt wie am Schnürchen. (Plus: Wir bildeten uns ein, dass unsere Köpfe, brav nebeneinander gebettet, unterbewusst die Erlebnisse des Vortags sortierten.)“ – „Modestrecke“ ist klasse, von der ersten bis zur allerletzten Seite, voll mit ansteckend begeisterten Einträgen, dabei kurzweilig, ideenreich, bunt, unaufgesetzt. „Das Internet hat die Berichterstattung über die Mode und auch die Mode selbst auf gewisse Art demokratisiert und auf nie vorstellbare Weise beschleunigt. Auch davon handelt dieses Buch, in dem wir, keine Modeprofis, sondern Amateure, die im schönsten Sinne des Wortes Mode lieben, einen ersten Schulterblick werfen auf eine Zeit, in der wir immer für den Moment gelebt haben. Und für den nächsten.“ Wer danach kein Fan ist – der hält Jogginghosen und Gürteltaschen ernsthaft für Kleidungsstücke.