„Die charismatische junge Wahl-Pariserin Rachel Khoo zeigt den altväterlichen Küchenchefs die kalte Schulter und erfindet die französische Küche neu“, verspricht dieses Kochbuch, in dem es zwar keine Frösche gibt (die kommen erst übermorgen, wenn ich mit dem „Silberlöffel“ hantiere), dafür aber die schönsten „Paris je t’aime„-Klischees mit Erdbeeren im Schälchen und Scherenschnitt-Balkonblicken.
Essen als Lebensgefühl – das zeigt „Paris in meiner Küche“ der Kochbuchautorin und Food-Bloggerin Rachel Khoo. 120 Gerichte werden hier auf 292 Seiten präsentiert, was nicht daran liegt, dass jede Mahlzeit fünfzig Arbeitsschritte verlangt, nein, Bücher wie diese leben weniger von ihren Rezepten, vielmehr von der inszenierten Atmosphäre.
Paris, ganz klar – das braucht Jugendstilschnörkel und getrocknete Rosensträuße, buntes Werkzeug in der Küche und einen Wasserfarbkasten auf dem Tisch, romantische Winkel, ein bisschen wie bei mir in Wuppertal eine Straße weiter. „La petite Confiserie“ heisst das kleine Café mit weißen Stühlen, kleinen Tischen, weißen Vitrinen. Unfassbar nette Menschen arbeiten dort, aber die Einrichtung ist eine einzige Katastrophe, da nostalgisch gewollt, aber bei Xenos bestellt. Paris als Klischee.
So ist dann auch bei Rachel Khoo, der niedlichen Tochter einer Österreicherin und eines Malaien, die sechs Jahre lang eine Klosterschule im bayrischen Landshut besucht hat (Klappentext) – um nach der Ausbildung an der Kochschule „Le Cordon Bleu“ in Paris die Welt mit charmanter Kulinarik zu versehen. Die Corporate Identity ihres Unternehmens funktioniert selbsterklärend (die Autorin hat im PR- und Marketingbereich gearbeitet). Ihre Art, mit Essen umzugehen, steht der Dr. Oetker-Schulkochbuchschule diametral gegenüber und punktet mit anschmiegsamer Sinnlichkeit.
Wo bei den Deutschen immer noch die Tagesrationsversorgung mit Fetten und Kalorien für den Nachkriegsaufbau im Vordergrund steht, geht es bei Rachel Khoo mit wahlweise nach links oder rechts schweifendem Fernblick im Café über den Umweg des Herzens in die Magengrube, bei lasziv auseinanderstehenden Lippen (beim Blick in den Ofen, dem Picknick mit Freundinnen, von oben fotografiert im französischen Treppenhaus) komplett ins Irreale. Nach Künstlerart frisierte Männer greifen sich bei ihr wie selbstverständlich in die lockigen Haare.
Wo Dr. Oetker einsteigt mit knackigen Hinweisen wie „für Gäste“, „schnell“, „einfach“, um dann ohne Umschweife aufs Rezept zu kommen, steift Rachel Khoo sanfter ein mit Sätzen der Art: „Eine Suppe, die Leib und Seele wärmt und wieder auf die Beine hilft, wenn man angeschlagen ist.“ – „Egal, welche Drinks und Häppchen Sie zum Aperitif servieren: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man sich Zeit nimmt, um abzuschalten und zu entspannen. Das allein ist schon eine Wohltat in unserer verrückten, hektischen Welt.“ – „Ein Tröpfchen Glück für alle Schokoladenfans. Dieses Mousse streichelt den Gaumen mit jeder einzelnen Zutat.“
Aber warum nicht? Es ist eben Strategie und die Rezepte sehen appetitlich aus. Das angebliche und keineswegs so aussehende „Galette aux pommes de terre et poires avec Roquefort“ (was bei mir bedeutet: Kartoffelscheiben mit Birnenstücken und Käseresten und bei anderen eher „Tartiflette„) habe ich schon zweimal in den Ofen geschoben, weil es grandios gut schmeckt. Die bibliophile Anmutung des immerhin 25 Euro teuren Werks rückt „Paris in meiner Küche“ Richtung Geschenkbuch für beste Freundinnen (hier kostet ein Rezept 21 Cent, beim opulenten „Silberlöffel“ gerade mal 2 Cent und bei „1000 Rezepte – blitzschnell“ von Dr. Oetker sogar nur 1,5 Cent – macht 19 Cent „Atmo-Aufschlag“) und wer nicht kochen kann, wird es hier zwar niemals lernen, hat dafür aber, ähnlich wie in den TV-Kochshows, eine Menge anzusehen.
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