Vor vielen Jahren bezeichnete ich aus rein ironischen Gründen die Nordstadt (in der ich selber wohne) als „Montmartre“, was freilich absolut gaga ist – seitdem taucht dieser Begriff an Dutzenden Stellen auf, wenn von Wuppertal die Rede ist, wie hier, hier, hier, hier und hier.
Wie gesagt, es war ein harmloser Scherz, weil ich die Studenten nicht blöd anmachen wollte im Text, was mich nicht abgehalten hat von Sätzen der Art: „Das ehemalige Fußpflegestudio ist der heißeste Ort, an dem momentan aufstrebende Avantgarde gezeigt wird.“ – Unser „Montmartre“ reiht sich nun ein in weitere „Montmartres“ unterschiedlicher Städte ein, vom „Prenzlauer Berg“ in Berlin über das „Plateau Mont Real“ bis zu „Camden“ (London), alles nachzulesen in diesem Buch. Das hier ist der unredigierte Originaltext, mit dem alles anfing:
Wird Wuppertals Nordstadt als Montmartre Elberfelds neu entdeckt? Nach der hervorragenden Schaufenster-Ausstellung, in der wirtschaftlich brach liegender Raum durch bildende Kunst neu besetzt worden ist, überrascht „Konzept-Plattform“, eine jüngst eröffnete Galerie in der Briller Str. 40. Zwei überaus fähige Industriedesign-Studenten aus Wuppertal haben dort die notwendige Schnittstelle zwischen Kunst und Design geschaffen. Dabei sind Michael Kohlbecher und Stefan Buchner erst 20, beziehungsweise 25 Jahre jung und besuchen gerade das dritte Semester in Wuppertal. Ihre Stilsicherheit ist jedoch beeindruckend.
Das ehemalige Fußpflegestudio ist der heißeste Ort, an dem momentan aufstrebende Avantgarde gezeigt wird. Während die „Räume für Neue Kunst“ von Rolf Hengesbach angekommenen Künstlern auf höchstem Niveau weiträumige Platz bietet, kommt „Konzept-Plattform“ mit sparsamen 37 Quadratmetern aus. Für schlappe sechs Euro gibt es bereits Wachs-Windlichter und für sechsundzwanzig mehr Regina Stolzmanns Krisen-Wundertüten. „Nicht nur für Depressionisten“ steht auf diesen beispielsweise und der nicht zu verratende Inhalt wird den exquisitesten Erwartungen gerecht. Ebenso eine umgebaute Wasseruhr mit Kollektoren, die Sonnenstunden zählen kann.
Sonnenstunden, die „Konzept-Plattform“ selbst zu wünschen sind. Zehn Künstler aus ganz Deutschland stellen momentan aus. Im monatlichen Wechsel sind Ausstellungen neuer Fotografie, Malerei, von Möbeln, schönen Dingen und feiner Kunst geplant. „Wir machen alles, was innovativ, kreativ und ideenreich ist“, verspricht Michael Kohlbecher. Doch ist bereits jetzt klar, dass „alles“ hier ein Niveau und verdiente Öffentlichkeit einbezieht. Die Designsammlung der Universität ist selbst an den versprochenen Öffnungszeiten vielfach geschlossen, das Atrium retten über den einen oder anderen Mangel hinweg. Konzept-Plattform besetzt eine Nische. Endlich.
Die junge Szene hat bereits auf den Laden reagiert und breite Unterstützung zugesagt. Regelmäßige Veranstaltungen, Lesungen, DJ-Sets und dergleichen mehr werden nun für Vernetzung sorgen. Wer diesen Raum nicht besucht, hat etwas verpasst. Ab kommender Woche ist „Konzept-Plattform“ montags und mittwochs von 15-18 Uhr, freitags und samstags von 10-15 Uhr und nach Vereinbarung unter den Telefonnummern 2833334 und 7092373 geöffnet. Nähere Informationen gibt es im Internet unter www.konzeptplattform.de (Foto: Wikipedia)