Die Philosophin Angelika Krebs (hier im Blog) ist eine streitbare Person. Für die Deutschlandfunk-Sendung „Essay & Diskurs“ vom 29.11.2015 gab sie mir in Basel das hier gekürzt wiedergegebene Interview über „Naturethik“. Später sprachen wird außerdem für die Wochenzeitung „der Freitag“ über dialogische Liebe; was seit ein paar Tagen heftig auf der Seite diskutiert wird. Hier aber geht es um Natur als philosophische Nowtwendigkeit, um die dialogische Beziehung nicht in der Liebe sondern um die dialogische Beziehung zum Wald, um den Missbrauch des Heimat- und des Naturbegriffs, beispielsweise in der NS-Zeit: und weshalb das ewige Gerede über den Klimawandel kapitalistisch infiziert ist. (Das Beitragsbild ist von Wikipedia.)
Bereits 1993 promovierten Sie mit einer Arbeit über Naturethik im Fachbereich Philosophie an der Universität Frankfurt bei Friedrich Kambartel, Jürgen Habermas und Bernard Williams. Jetzt findet die UN-Klimakonferenz in Paris statt. Dort soll der Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll neu verhandelt werden. Es wird viel darüber berichtet, und Sie als Ethikerin haben gesagt: „Es gibt etwas, das wird in dieser ganzen Diskussion marginalisiert.“ – Was ist es? Ich bin der Meinung, dass man den Klimawandel zwar ernst nehmen muss, aber man muss das Problem des Klimawandels in den größeren Kontext stellen; in den größeren Kontext unseres Umgangs mit der Natur, also auch die Plastikvermüllung, die Lärmverschmutzung und eben das, was wir mit der Landschaft machen. Wir räumen die Landschaft aus, wir zersiedeln die Landschaft, wir überziehen die ganze Erde mit einer grauen Kruste. Wenn wir all das anschauen, dann müssen wir sagen, dass wir die Natur auf unsere materiellen Zwecke zurichten. In der Diskussion um den Klimawandel wird immer der Blick scharfgestellt auf materielle Bedürfnisse, weil es ja materielle Bedürfnisse sind, die da bedroht sind. Wir müssen aber auch über immaterielle Bedürfnisse reden, die wir im Zusammenhang mit der Natur haben, und da insbesondere über unser Bedürfnis nach einer schönen Natur, nach Ästhetik. Ich habe die Angst, dass bei so dramatischen Themen wie dem Klimawandel der Fokus zu sehr auf die materiellen Bedürfnisse gerichtet ist und wir aus dem Blick verlieren, dass es auch noch andere Bedürfnisse gibt, die ganz wichtig sind für unser Leben und für unsere Lebensweise.
Wir versuchen doch, Letzteres über das Materielle zu lösen. Wir haben Verschmutzungszertifikate; Firmen müssen für die Nutzung von Natur bezahlen. Sie sagen: Das führt alles an dem vorbei, worum es eigentlich geht? Es geht eigentlich darum, dass der Mensch das Bedürfnis hat, in ein anderes Verhältnis zur Natur zu treten, also dass man die Natur als Ressource gut benutzt und schont, sodass die zukünftigen Generationen auch noch die Natur als Ressource gut nutzen können. Es geht um ein anderes Verhältnis zur Natur, ein Verhältnis, das eine Art Gegenwelt sein kann zu der Welt der Zwecke. Im normalen Leben rennen wir immer hinter Zwecken her. Wie ein Hamster im Rad laufen wir hinter diesen Zwecken her. Wenn wir in die Natur gehen – ins Freie, wie man sagt – dann suchen wir die Begegnung mit etwas, was eben nicht auf solche Zwecke abzielt. Nietzsche sagt das ganz schön: Wir gehen in die Natur, weil die Natur keine Meinung von uns hat. Wir möchten weg aus dieser menschlichen Welt mit Absichten und Zwecken und möchten uns einfach darin ergehen. Wir möchten etwas sehen, hören, riechen, uns darauf einlassen, ins Gespräch damit treten.
Von welcher Natur sprechen wir denn? Die meisten Menschen leben in den Städten; die haben Parks, da gibt es Bäume. Man könnte jetzt sagen: „Natur ist dort, wo Bäume sind.“ Dann könnte man sagen: „Vielleicht sind es keine Parks, sondern es ist der Wald.“ Aber schon der deutsche Wald wurde im 17./18. Jahrhundert unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten geforstet. Was ist das denn für eine Natur, wo beginnt die – bei dem Rasen vor meinem Reihenhaus oder doch am Amazonas? Sie sprechen etwas ganz Wichtiges an: Wir dürfen uns keine Illusionen machen. Die unberührte Natur, die Wildnis, die haben wir nicht mehr bei uns. Trotzdem haben wir eine mehr oder weniger auf unsere Zwecke hin zugerichtete Natur. Es gibt Natur, die ist freier, die darf wachsen, wie sie will, und es gibt eine Natur, die ist angelegt oder gar zugerichtet. An einer Ackerlandschaft spricht uns nichts mehr an, da können wir diese Erfahrung, die mir so wichtig ist, nicht mehr machen. Also es geht um die freie Natur, die durchaus berührt ist, aber wo wir noch diese Erfahrung machen können, dass da etwas von sich aus wächst, wie es will.
Welche Erfahrungen machen wir denn dort? Beispielsweise kann man vor einem großen Berg stehen, in der Schweiz passiert das ja hin und wieder, und man hat dann ein Gefühl von Erhabenheit. Welche Gefühle bekommt man denn in der Natur? Das Gefühl, dass da etwas ist, was von sich aus allein schon ganz großartig ist und dass wir nur ein Teil eines eigentlich großartigen Ganzen sind, dass wir das wieder mitbedenken müssen. Wir sind nicht die Macher, die Veranstalter der ganzen Welt. –Aber ich möchte noch mal auf das Vorherige zurückkommen. Sie haben gesagt, in der Stadt, da gibt es Parks, da gibt es Gärten. Ich würde immer sagen, auch das ist sehr, sehr wichtig, dass man in der Stadt etwas hat, wo man sich hinsetzen, wo man ein bisschen aufatmen kann; und die Freiheit schon spürt. Aber genauso wichtig ist es, dass man aus der Stadt herauskommen kann, ins Freie, also in den Wald, dass man in einen Wald eintauchen kann.
Bei Fragen des Klimawandels sprechen wir über den Nutzen. In welcher Weise denken Sie als Ethikerin anders? Als Ethikerin muss ich darüber nachdenken, worin das gute Leben des Menschen besteht, und das gute Leben des Menschen kann nicht einfach darin bestehen, dass es seine materiellen Bedürfnisse befriedigt. Das macht niemanden glücklich, oder? Wo fahren denn die Leute im Urlaub hin, sobald sie ein bisschen frei sind von Geldverdienen und sich erholen? Dann fahren sie in die Natur.
Aber was kann ich als Städter tun, ohne Landbesitz, den ich selber aufforsten kann? Ich kann mir vielleicht einen Schrebergarten anschaffen, aber das war es auch schon. Was kann ich persönlich tun, um an diese Naturerfahrung erst mal zu kommen und um dann die Natur auch tatsächlich selber zu schützen? Ich sitze ja nicht in Paris und verhandele das Kyoto-Protokoll neu. Also das mit dem Schrebergarten ist schon mal nicht schlecht. Sie können auch auf dem Balkon irgendwas ziehen. Dann können Sie vielleicht das Auto nicht mehr so viel benutzen. Die Straßen sind ein Hauptproblem, die zerschneiden die Landschaften. Nehmen Sie nicht dauernd den Flieger, hören Sie auf mit der verrückten Mobilität, essen Sie lokal und so weiter und so fort. Wir müssen unsere Lebensweise ändern. Die Geschichte mit dem Klima ist nur eine ganz dramatische Konsequenz, die aber unseren Blick wieder auf das Materielle richtet. Wir müssen unsere Lebensweise generell ändern.
Ich gestehe Ihnen, ich besitze gar kein Auto… Ich auch nicht. Ich fahre kein Auto und ich gehe zu Fuß zur Straßenbahn und nehme die Straßenbahn in die Stadt zur Uni, also das ist mein Leben, und ich laufe immer, wo ich kann.
Was sagen Sie den Familien, die meinen, das Auto unbedingt zu brauchen? Das ist nun eine Schweizer Perspektive, aber der öffentliche Nahverkehr ist hier wunderbar. Man kann mit dem Postauto oder der Tram überall hin. Das Zugnetz ist wunderbar ausgebaut. Ich glaube, wir müssen wirklich weg von dieser Automobilität. Früher hatten die Kinder auch lange Schulwege, und das muss wieder möglich sein, dass man die Kinder zu Fuß in die Schule schickt und dass man nicht Angst haben muss um ihre Sicherheit.
Das heißt, wir haben nicht nur eine bessere Luft, sondern auch den Kindern geht es besser? Natürlich.
Das sind Dinge, die wir nicht immer direkt bedenken. Ja, die Gesundheit, die Bewegung… Das fehlt uns, dann werden wir dick, weil wir uns nicht bewegen. Wenn die Bewegung eingebaut ist in den Alltag stimmt doch alles viel mehr.
Bereits als ich 1979 geboren wurde hat man über Ressourcenschonung gesprochen. Die Existenz des Ozonlochs, ist bekannt. Aber warum haben wir den Eindruck, dass sich gar nicht so viel tut? Uns wird suggeriert, dass der Kauf einer Energiesparlampe den Klimawandel aufhalten könne – das erscheint mir unterkomplex. Die Energiesparlampe suggeriert, dass wir technische Lösungen haben, sie suggeriert, dass wir an unserer Lebensform wenig ändern müssen, und das gibt uns ein gutes Gewissen. Aber in Wirklichkeit müssen wir unsere Lebensform drastisch umstellen, und das will keiner so recht hören. Deswegen will ich darüber sprechen, was wir gewinnen können, wenn wir materiell Verzicht üben. Wir können dieses andere Verhältnis zur Natur wiedergewinnen.
Sie sagen, die Natur brauchen wir als Resonanzraum, um uns als Menschen zu erfahren. Was bedeutet das? Ich habe aus der Literatur was mitgebracht und zwar eine Passage aus einem Roman von Peter Kurzeck, der 2013 gestorben ist. Dort steht, was ich meine mit diesem ästhetischen Verhältnis zur Natur. Es geht um ein Waldstück, und darum, dass der Schriftsteller spazieren geht im Frankfurter Stadtwald: „Durch das Waldstück jetzt an seinem Rand hin. So ein schütteres kleines Waldstück. Wie man auch geht, man geht immer am Rand und der Wald wie leergeräumt, eher wie eben erst aufgestellt sagst du dir, keine Wurzeln, ohne Wurzeln die Bäume, von Fachleuten fachgerecht aufgestellt, Qualitätswald, Bestandsgarantie, Lebensgröße, und mit Sorgfalt befestigt, wie echt, direkt beinah wie echt, und so still, als ob die Erde, jeder Fleck Erde, die Pflanzen, die Steine und jedes Ding, als ob die Welt insgesamt längst aufgehört hätte, mit uns zu sprechen und wir dann auch mit uns selbst, schon länger, wir antworten nicht. So still, aber hinter der Stille ein Dröhnen, ein wachsendes Dröhnen von allen Seiten und kommt auf uns zu oder wie im eigenen Kopf drin.“
Warum nehmen Sie gerade diese Stelle? Das Dröhnen ist die Autobahn. Wir werden quasi wie zugedröhnt von der Maschinenwelt, die wir errichtet haben. Wir kommen nicht mehr ins Gespräch mit der Natur, weil die Natur uns nicht mehr zum Gespräch einlädt. Das ist kein Wald mehr, das ist nur noch ein Waldstück. Es ist zerstückelt, man kommt nicht mehr rein in den Wald, man kann all diese Erfahrungen, die ich so wichtig finde, dass wir uns als Teil eines größeren Ganzen der Natur erfahren, nicht mehr machen in so einem Waldstück. Man geht immer am Rand, schreibt er, und da ist es still, es gibt keine Vögel mehr. Nichts lädt uns ein, mit diesem Wald, der keiner mehr ist, zu räsonieren. Diese Erfahrung, dass es außer uns noch was gibt, dass wir mit unseren Maschinen und unseren Zwecken und was wir uns alles ausdenken, nicht das Einzige sind hier, sondern dass es was Größeres gibt, diese Erfahrung kann man in so einem Waldstück nicht mehr machen.
Es geht also um das Unbekannte in der Natur? Es geht um das Entdecken von Vielfalt und darum, nicht überall schon wieder sehen, wie das geplant war, wie das zugerichtet ist, wie das angelegt ist. Es geht darum, etwas Neues zu entdecken.
Warum wird bei einer Weltklimakonferenz darüber nicht gesprochen? Wie schafft man es, dass die Leute mehr darüber nachdenken? Wie versuchen Sie, den Leuten derartige Gedanken nahe zu bringen? Ich spreche mit meinen Studenten, halte Vorträge und komme dann mit Literatur, an der man, glaube ich, selber diesen Resonanzverlust spüren kann, dieses Leere, dieses Stille und die Überdeckung dieser Geschichte mit Werbungssprache,. Das liest man so auch bei Kurzeck. „Wie echt, direkt beinah wie echt“, steht da. Das ist diese aufgeregte Sprache, die verdecken soll, dass da eigentlich etwas ganz Wichtiges verloren geht, wozu man Stille und Einkehr braucht, um das zu erleben. Ich glaube, man muss einfach über diese Erfahrung reden mit Lehrern, dass die Lehrer mit den Kindern eben nicht ins Shoppingcenter, in den Film gehen, sondern in die Natur.
Aber ich habe jetzt Angst, wenn ich mir vorstelle, ich muss mich wieder mit der Natur konfrontieren. Ich denke dann zum Beispiel an Blaise Pascal, dem aufgefallen ist, dass wir ein All sind gegenüber dem Nichts und ein Nichts gegenüber dem All. Das All ist so riesig, damit muss ich mich auf einmal konfrontieren, und dann kriege ich Angst. Hat es nicht auch was unglaublich Tröstliches, wenn man die ganze Zeit lang von Technik umgeben ist, von Straßenplänen, alles bewacht ist? Es ist diese Technik, dieses Bewachte, dieses Sicherheitsbedürfnis, das überall bedient wird. Das suggeriert, glaube ich, auch eine Kontrolle, die wir gar nicht haben über unser Leben. Oder denken Sie an Krankheiten, denken Sie, jemand kann sterben, denken Sie daran, was wir jetzt mit den Flüchtlingen haben. Wir leben ein bisschen in einer Scheinwelt, und wenn wir uns der Natur aussetzen, können wir die Erfahrung von Erhabenheit machen. Wir haben nicht alles unter Kontrolle. Es ist besser, wir finden ein Verhältnis dazu, dass wir sterben müssen. Dieses Verhältnis können wir finden, wenn wir uns in schöner und erhabener Natur bewegen. Da lernen wir, dass wir nicht alles sind, dass wir nicht alles im Griff haben. Wir müssen raus aus diesen Macher- und Technikwahn.
Wir leben in einer Zeit, in der viel darüber gesprochen wird, dass die Menschen Angst haben. Glauben Sie, dass mehr Erfahrung in der Natur und auch dieses hin und wieder stattfindende Aussetzen in dieser Natur, was ja mit Angst dann durchaus zu tun hat, einen davor schützt, ein Angstbürger zu werden oder in diesen geschützten Städten als Ängstlicher herumzulaufen? Ja, ich denke sicher, dass man in freier Natur den Umgang auch mit Angst lernt und lernt, dass man eine Angst auch besiegen kann oder zulassen muss, um einfach zu Erkenntnissen zu kommen, was das menschliche Leben ausmacht.
Sie haben gesagt, dass wir die Natur als Resonanzraum brauchen. Sie haben das in Ihrer Philosophie auch sehr genau benannt und unterschiedlich aufgefächert. Ja, dann darf ich einfach mal aus der philosophischen Schule sozusagen plaudern? Wenn Sie sich die Debatte zum Umweltschutz in der Ethik der vergangenen 30, 40 Jahre angucken – so arg lang gibt es die ja noch nicht – dann ist sehr viel davon geredet worden, dass man einerseits anthropozentrisch auf die Natur zugehen kann; dann würde man sagen, wir müssen die Natur natürlich schützen, aber so, dass es den Menschen gut geht. – Dann gab es die andere Seite, die gesagt hat, das reicht nicht, die Natur ist nicht nur für den Menschen da. Wir müssen eigentlich der Natur selbst eine Würde zuerkennen, einen eigenen Wert, und das kann man dann religiös ausbuchstabieren. Das sind die Frontstellungen. Was ich nun wichtig finde, ist, dass wir sagen, anthropozentrische Argumente für Naturschutz, dass es dem Menschen gut geht, auch den zukünftigen Generationen und den Menschen in anderen Teilen der Welt, nicht nur uns natürlich, dieser Anthropozentrismus, den dürfen wir jetzt nicht so verstehen, dass es dann nur darum gehen darf, die Natur als Ressource zu schützen. Das ist das Problem, wenn Klimawandel mediale Aufmerksamkeit bekommt, dann kommen wir in dieses Ressourcendenken, in dieses materielle Denken hinein. Anthropozentrismus in einem weiteren, aufgeklärteren, volleren Sinne würde auch bedeuten, diese anderen Bedürfnisse des Menschen gegenüber der Natur in den Blick zu nehmen; eben das Ästhetische, worüber wir jetzt schon gesprochen haben. Dieser Resonanzraum berührt ein ästhetisches Bedürfnis, die Schönheit, Erhabenheit der Natur zu erfahren, aber auch so etwas wie ein Bedürfnis, irgendwo zu Hause, beheimatet zu sein, also dass sich die Landschaft um Sie herum nicht völlig verändert, sondern dass das Sie dahin gehören. Sie fühlen sich dort wohl, Sie leben nicht an einem Unort, an einem Nicht-Ort, der auswechselbar ist. Ich denke, auch das ist etwas Wichtiges, wie man Bürger und Bürgerinnen packen und ihnen sagen kann: „Ihr wollt doch nicht, dass es hier, wo ihr wohnt, so aussieht wie überall – mit dem Shoppingcenter auf der grüne Wiese.
Gleichzeitig wird genau dieses Heimatargument von Anfang an auch von rechten Gruppen instrumentalisiert. Die Grünen hatten schon zu Gründungszeiten dieses Problem, dem vom Natur- und Heimatschutz ist es nicht weit bis zum Gedanken der eigenen Scholle. Und dann schützen die ihre Heimat, indem sie protestieren gegen andere Menschen, die zu ihnen kommen. Wie kann das sein? Heimat schützen kann nicht heißen, den Zustand, den wir haben, einzufrieren und gegen alles Fremde abzuschotten, oder? Das heißt, auch Naturschutz nicht. Die Sachen verändern sich und Veränderung ist nicht per se etwas Schlechtes. Trotzdem würde ich sagen, dass der Heimatbegriff eine dunkle Geschichte hat. Den Faschismus haben Sie jetzt gar nicht erwähnt, also was im Dritten Reich damit gemacht wurde. Gleichzeitig bedeutet das nicht, dass wir ganz ohne diese Denkfigur auskommen können. Wir können das auch anders formulieren. Wir können sagen: der Mensch ist ein Wesen, das nicht eine bloße Nummer sein will an einem Nicht-Ort, sondern der Mensch ist ein Wesen, das eine Differenz, das eine Besonderheit braucht, und das heißt auch, dass er diese Besonderheit in seiner direkten Umgebung widergespiegelt sehen will.
Anfangs haben wird gesagt, Natur bringt uns das Andere näher. Aber augenscheinlich geht es hier ebenso um das Eigene. Ja. Nur weil der Heimatbegriff missbraucht wird, der Naturbegriff ist auch missbraucht worden, wenn Sie denken an die Natur der Frau, was da alles gemacht wurde, also, wir können es uns nicht leisten, auf solche Begriffe ganz zu verzichten. Wir müssen nur klar machen, wie wir sie nicht meinen. Wir meinen sie nicht so, dass Heimat heißt: wir können und wollen andere, die zu uns kommen, nicht hereinlassen.