Der Musiker (Die Helden, Stahlnetz, Lebendigital) und 1LIVE-Wellenchef Jochen Rausch hat einen wunderbar melancholischen Roman über die muffigen, düsteren, dumpfen Seiten der 1970er Jahre geschrieben, eine Geschichte, in der nichts leuchtet, in der es keine Hoffnung gibt.
„Restlicht“ erzählt in grauen Farben über eine junge Frau, die verschwindet, und nie wieder auftauchen wird. Das ist beklemmend. Das ist beunruhigend. Das ist ganz und gar außergewöhnliche Literatur. Es geht, selbstverständlich, um Verlust und Verzweiflung, um Liebe und Tod und um die Schwermut, die bleibt, wenn alle strahlenden Momente vergangen sind und man weiß: soviel Schönheit wird das Leben zu keinem Zeitpunkt mehr bereithalten. Ein Gespräch.
Jochen Rausch, wie waren Deine Siebziger, als Jugendlicher? Wuppertal und Umgebung wurden mit dem Auto erforscht. Ausverkaufte Konzerte mit meiner ersten Band DIE HELDEN in der Börse; kein AIDS. Hinter dem Schauspielhaus bin ich in eine RAF-Kontrolle geraten, und es gab Ärger, weil ich den freundlichen Beamten mit der Maschinenpistole im Anschlag gefragt habe, ob er sich ausweisen kann! Ich habe in Wuppertal studiert – na ja, weil in der Nähe war. Und ich habe gute Zeiten gehabt als Schreiber für die NRZ, die es bis Ende 1980 in Wuppertal gab.
Wie authentisch ist Restlicht? Tatsächlich verschwand Mitte der 70er Jahre ein Mädchen aus meinem Freundeskreis. Einfach so, an einem heißen Tag im Sommer, anscheinend ohne Grund. Alle waren geschockt. Wir waren jung und dachten bis dahin, es könnte uns schon nichts Schlimmes passieren, egal wie arg man es so trieb. Und dann so was.
Restlicht wird aus der Perspektive des zurückgelassenen Freundes erzählt. Bist Du dieser Freund? Wenn es meine persönliche Geschichte wäre, hätte ich sicher nicht die notwendige Distanz bekommen, das Geschehen literarisch zu verarbeiten. Aber diesen Fotografen, der all diese Fotos von dem Mädchen hat, den gab es wirklich. Er war sehr verzweifelt damals. Er sagte mir mal, wenn seine Freundin gestorben wäre, dann hätte er sich wenigstens von ihr verabschieden können. So blieb ihm nur ein großes dunkles Nichts. Er ist dann ins Ausland gegangen, hat eine Familie gegründet. Aber die Gedanken an das Verschwinden seiner ersten Liebe haben ihn auch dort nie verlassen.
Warum schreibst Du nicht über Pop, Radio, Musik? Nicht immer ist mir das Naheliegende nah. Ich habe immer gerne mit ein paar Brüchen gearbeitet. Ich mag es, Dinge miteinander zu verbinden, die sich auf den ersten Blick gar nicht dafür anbieten. wie bei den Fausertracks, die ich mit Lebendigital aufgenommen habe: Gedichte von Jörg Fauser, und die Musik dazu. Allerdings hat sich über Musik, Radio und das Leben in der Popkultur inzwischen eine Menge angesammelt, könnte sein, dass ich auch mal was dazu mache.
In den letzten Jahren gab es mehrere spektakuläre Fälle jahrelanger Verschleppungen junger Frauen, zum Beispiel der Fall Natascha Kampusch in Österreich. Waren derartige Fälle eine Inspiration für Restlicht? Nein, hier geht es nicht um einen Psychopathen, der Macht über einen Schwächeren ausüben will. In Restlicht handeln Opfer und Täter aus ähnlichen Motiven, sie wollen geliebt werden oder wollen jemand schützen, den sie lieben.
Wie kam es, dass Schauspieler Peter Lohmeyer („Das Wunder von Bern“) das Hörbuch eingelesen hat? Peter Lohmeyer war mein Wunschkandidat. Ich halte ihn für einen erstklassigen Schauspieler, außerdem hatte er aus meiner Sicht die Fähigkeit, diese lakonische Grundstimmung der Hauptfigur treffend umzusetzen. Was übrigens sehr gut geklappt hat. Wir haben Peter Lohmeyer dann angefragt, er hat das Manuskript gelesen und hat ja gesagt.
Was planst Du außerdem derzeit? Mit meinem musikalischen Partner Detlev Cremer (mit dem ich seit lockeren 30 Jahren zusammen Musik mache, u.a. bei DIE HELDEN, STAHLNETZ und LEBENDIGITAL) bearbeiten wir gerade gesprochene Liedtexte von Udo Lindenberg. Ich bin aus Urzeiten locker mit Udo bekannt (er hat mal mit dem Produzenten unserer ersten Platte, dem legendären Conny Plank – leider schon tot, hat Sachen wie DAF, KRAFTWERK, IDEAL, ULTRAVOX, ANNY LENNOX produziert – zusammengelebt). Vor zwei Jahren habe ich ihm die FAUSERTRACKS vorgespielt und ihn gefragt, ob er nicht Lust habe, seine eigenen (Lindenberg‘schen) Texte zu sprechen (z.B. Horizont, Bis ans Ende der Welt, Mädchen aus Ostberlin, aber auch unbekanntere Lieder wie Niemandsland oder Meer der Träume). Fand er ok, wir haben das im Dezember letzten Jahres in Hamburg aufgenommen (Hotel Atlantic) und haben das komplett neu vertont, elektro-groovig würde ich sagen, also völlig weg von den Originalen. Kommt Ende Oktober bei Randomhouse Audio raus.
Du arbeitest in Köln, wohnst aber in Wuppertal. Warum?Ich habe zwischendurch mal acht Jahre in Köln gewohnt, bin dann aber wieder zurück wegen Familie, Kindern usw. Wuppertal ist ok und etwas Abstand zur Medienmetrolpole tut ganz gut. Außerdem hänge ich irgendwie an Wuppertal, weiss auch nicht warum. Vielleicht weil ich weiß, wo man nicht hingehen muss…Ich bin allerdings eh kein Kneipensteher – keine Zeit.
Jochen Rausch: „Restlicht“, KiWi, 288 S., 8,95 Euro