Susanne Heinrich, die 2011 mit ihrem Kurzgeschichtenband „Amerikanische Gefühle: Geschichten von Männern und Frauen“ (bei Dumont) begeisterte, zieht sich aus: Für die Kunst.
Bislang gibt es hier ein Foto: Susanne mit einem zusammengerolltem Adidasplakat im Hintergrund, man sieht einen Wäscheständer, eine Decke, ein Shirt – vielleicht ist es das Shirt, das sie gerade ausgezogen hat, um vorm Spiegel stehend ihr iphone hochzuhalten, hinter ihr der neue Freund David østerlng, ebenfalls „oben ohne“, hier: SP∂CE†L•VE
Auf Facebook kommentierten die ersten Freunde semidespektierlich zwischen „Oh, ich bin gespannt auf die verbrauchten Taschentücher. (Währenddessen und danach!)“ und „schwanger?“ – ich fragte: „Liebe Susanne, was ist es denn, was wird es genau? geht es um Post-Privacy? Um Worte, die nicht ausreichen? ist es mit Leanne Shapton vergleichbar? Kläre mich auf.“
Susanne antwortete schnell: „post-privacy? jup. was es wird: live-mitschrift einer urbanen liebesgeschichte. wie es aussehen wird: so wie wir, david & ich. demnächst dann auf diesem blog auch mehr zu unseren projekten, seiner musik, meinen film- und literatursachen usw. im besten falle also eine große klammer, irgendwo zwischen narzisstischer selbstbespiegelung, style-blog, briefroman, karriere-tagebuch … ein experiment an der grenze zwischen kunst, leben, liebe & inszenierung. ich bin genauso gespannt wie du!“
David østerlng ist „produzent und (co-)songwriter für diverse artists, der gerade ganz frisch sein eigenes projekt gestartet hat.“ Es heisst „Hallo Spaceboy“, klingt nach gutem deutschen Rap, es gibt ein erstes Video mit Mauerparkbildern, Skatern, einem leicht sexuell aufgeladenen Bierschlauchbesäufnis, unkitschigen Liebesschwüren, ich finde nicht, dass Dubstep reingehört (wie unter YouTube-Video gewünscht) – „the story is still unwritten“, das ist ein kurzer englischer Teil, der auf den Blog verweisen könnte.
Denn auch hier ist eine Geschichte im Entstehen, ob Susanne Heinrich das Ganze niederschreibt – vielleicht? Die beiden haben nach eigenen Angaben „auch eine künstlerbeziehung – bzw. eine beziehung zwischen künstlern, die auch schon erste pläne für gemeinsame projekte haben. aber all in all: weniger konzept, mehr liebe. und warum nicht mal schauen, ob wir vielleicht die fitzgerald & zelda unserer zeit sind?“ (Gerade der letzte Satz ist „typisch“ für die 27-jährige Schriftstellerin).
Ich mag ihr Zeug, vor allem „In den Farben der Nacht“ (das Debüt) und „Amerikanische Gefühle: Geschichten von Männern und Frauen“. Es ist eine Literatur, die sich weit hinauslehnt, mit der eigenen Biographie spielt, die Eins zu Eins Susanne Heinrichs Dasein reflektiert, Wirklichkeitsmitschrift ist, eine Literatur, die exemplarisch für eine bestimmte Gruppe unserer Zeit artikuliert, wie sich Lieben anfühlt, Unsicherheiten, Entgrenzung, immer wieder im „Dennoch“ sein, selbst im Zögern die Erwartung des Sprungs mitgezeichnet, in ihren besten Augenblicken schonungslos, voyeuristisch – aber den Voyeurismus des Lesenden gleich mit denkend.
Susanne Heinrich kann Spiele spielen. Sie kann diese Spiele als Kunst inszenieren und ihre neue Spielwiese, bislang vor allem weiß und ungefähr, ist dieser Blog unter dem Motto: „GIVE: LIVE: LOVE:“ Das Archiv ist leer, die Erwartungen groß. Der Anfang ist gelungen.