„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ Beginnt mit diesem Goethe-Vers Deutschlands Design-Geschichte?
Beim Symposium „Das gute Leben. Der deutsche Werkbund nach 1945“, ausgerichtet vom Fachbereich Kunst- und Designgeschichte der Universität Wuppertal wurde diese Frage aufgeworfen. Samstag und Sonntag referierten namhafte Gäste über die Werkbund-Vereinigung. Firmen und Fotografen, Politiker, Rezensenten, Architekten, Designer und Händler schlossen sich 1907 zusammen, um gute, praktische Geräte, Häuser, Möbel herzustellen, und natürlich auch, um diese anschließend zu verkaufen. Edle Einfalt und stille Größe in Lampen- oder Lokusform, kein Plastikschrott, sondern Ideen aus Porzellan, Holz und Gußeisen. In Wuppertal sind Größen wie Bazon Brock und Siegfried Maser oder die Firma Matthey in Heckinghausen engagiert.
Tagungsschwerpunkt am Wochenende waren die 50er und 60er Jahre, die laut Fototheoretiker Klaus Honnef, „keine Jahre des Wiederauf-, sondern des Neubaus waren.“ Glas, Beton, Sachlichkeit und Treibhäuser, die hierzulande selten als „schön“ akzeptiert wurden, wie im Vortrag Paul Sigels „Über den Pavillon bei der Brüssler Weltausstellung 1958“ zu hören war. „Langeweile in Sauerkraut“, schrieb die BILD damals. Das Ausland hingegen überschlug sich begeistert.
Was war stattdessen „in“? Die USA, also nicht die stille, sondern die lärmende Einfalt. Das ewig vergötterte Ursprüngliche, Wilde ebnete hier den Boden für eine konsumfreudige Amerikanisierung nach den 2. Weltkrieg. Walter Prigge vom Bauhaus Dessau referierte über die „Konsumentendemokratie“ der 50er und 60er Jahre, an den Wandel vom Angebots- zum Nachfragekonsum und wie der moderne Mensch sich selbst individualisiert und normalisiert: durch Konsum. Waren werden persönlichkeitsbildend und der neue Bürger richtet seine Wohnung nach Museumsvorbildern ein, mit Vitrinen, Lichtdesign und Farbberatung.
Petra Eisele erinnerte daran, dass organisches, als natürlich geschwungenes Design bereits in den 30er Jahren erdacht wurde, während man bei Glaser nachlesen kann, dass der organisch geformte Nierentisch nicht einmal typischer Einrichtungsgegenstand der 50er Jahre war, sondern erst später als Nostalgieaccessoire auflebte. So saß man mitunter gebannt in Wuppertals Designsammlung, zwischen Werkbund-Stücken wie der schlichten Liege Ferdinand Kramers oder feinen Tassen von Jupp Ernst. Und wer mitunter einnickte, wurde spätestens in dem Moment geweckt, als Prigge seinen Vortrag mit der Spitze beendete, dass Bauhaus und Werkbund, bereits in den 70ern als Stilbilder abgelöst wurden: „Vom schwedischen Möbelkaufhaus Ikea.“
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