Sex mit Wellen? „Strong Magic“ in Tonkügelchen? Unterwasserkrebse mit leuchtenden Augen: Das alles gibt es in der wunderbaren Geschichtensammlung „Krill“ von Michael Weins. Freitagabend las der Autor in der Reihe „1LIVE Klubbing unterwegs“ im Duisburger Café „Hundertmeister„.
Während die 1LIVE-Nachrichten von Unwetter, Blitzeinschlägen und Sturzbächen berichten, schwitzt das junge Lesepublikum im oberen Stock des „Hundertmeister“, wartet in schülwarmer Atmosphäre auf die Sendung. Es ist kurz nach 23 Uhr. Michael Weins sitzt im tiefen Sessel neben 1LIVE Klubbing-Moderator Mike Litt, auf einer Bühne, im Licht, im Hellen. Die Fans, im gedimmten, im dunklen, im düsteren Zuschauerbereich, können jetzt „Radio sehen“, mit weit geöffneten Pupillen, als Gruppenerlebnis, mittendrin. Man tuschelt. Weiter links steht DJ Larse, die Plattenspieler startklar, das Klubbing-Set bereitgelegt und lächelt Mädchen in der ersten Reihe zu.
An der großen Bar gibt es Pils vom Fass und Mineralwasser in kleinen Fläschchen. Die Helden auf der Bühne trinken stilles Wasser. Michael Weins wippt zum Takt der Musik. Mike begrüßt die Hörer an den eingeschalteten Empfangsgeräten, die Daheimgebliebenen, die Autofahrer auf dem Weg zum nächsten Sektor-Club. Er erklärt, dass „Krill“ kleine Meeres-Leuchtkrebse sind. Auf dem Foto im Buch steht der Autor, wie Mike es formuliert, „bis zu den Brustwarzen im Wasser. – Wahrscheinlich bist du auch noch Sternzeichen Wassermann?“ Der Saal lacht. Michael nimmt den Gag gleich volley: „Ich bin ein Fisch“, sagt er. – DJ Larse zupft gedankenversunken an seinem XLarge-Shirt, justiert den Tonarm, wechselt zu Shawn Lee und „Happiness“. Man hörte ein paar Takte. „Gleich werden wir die erste Geschichte hören“, verspricht Mike Litt nach dem Kurzinterview. Applaus. Musik. Man lehnt sich zurück. Zigarettenpause.
Michael Weins wohnt in Hamburg, der Stadt mit dem Fluss, dem Hafen, wo die großen Schiffe schlafen. Deshalb verwundert es nicht, dass er zum Wasser, zum Meer, zur brandenden See eine tiefe Verbundenheit fühlt. Seine erste an diesem Abend vorgetragene Short-Story heißt „Delfinarium“ und erzählt von einem „Beinahe-Liebespaar“, das einmal in der Woche den städtischen Zoo besucht. Sie ist verheiratet. Er wurde vom Ehemann angeheuert, soll gegen Bezahlung für den sexuellen Ausgleich der Gattin sorgen: nach dem Ausflügen, im PKW, auf dem Rastplatz. Doch plötzlich ist alles anders. Sie verweigert sich an dem Tag, an dem „Delfinarium“ spielt. Verweigert sie sich aus Liebe? Aus Scham? Aus Sentimentalität? Die Geschichte endet mit dem melancholischen, alles ermöglichenden Satz: „Nach einer Weile legte sie den Kopf auf meine Schulter.“ Applaus.
Das Besondere an diesen Klubbing-Veranstaltungen ist das Licht, das Sichtbare. Autoren schreiben meistens allein, am heimischen Schreibtisch, weit weg von ihren Lesern da draußen. 1LIVE wird aus schalldichten Kammern der Kölner Studios hinausgesendet. Mike Litt kann niemand sehen, wenn er, den Kopfhörer auf den Ohren, vor seinem Mikrofon steht. Doch hier sitzen sie, die Helden des Verborgenen, der Autor, der Moderator, der Radio- DJ, im gleißenden Scheinwerferlicht, sichtbar. Nach der Veranstaltungen bleiben viele sitzen, lauschen der Musik von Larse, kaufen Bücher, stellen sich bei Michael Weins für eine Widmung, eine Signatur an. Einer legt Mike den Arm um die Schulter, zum Erinnerungsfoto. Die Stimmung ist familiär, der Zuschauerraum nun aufgehellt, die Bühne leer und alle offenen Fragen können nun, ganz ohne Hotline oder Email-Formular, direkt gestellt werden. Die Sektor-Partys füllen sich. 1LIVE sendet weiter, die ganze Nacht. Und was das alles mit „Strong Magic“ zu tun hat, kann jeder selbst nachlesen, in „Krill“, in den kleinen Geschichten des großen Autors Michael Weins.
[…] von Pyotr Magnus Nedov, “Mord im Herbst” von Henning Mankell, über “Krill” und “Delfiniarium” von Michael Weins. In 1LIVE Klubbing liest diesen Freitag […]
[…] er zuletzt mit seiner Geschichtensammlung “Krill” bewiesen, die er vor zwei Jahren bei 1LIVE-Klubbing Unterwegs vorgestellt hat und in der auch ständig Menschen im und am Wasser und einmal auch im Delfinarium […]