Die beiden Society-Journalistinnen Ariane Sommer (Bild) und Esma Annemon Dil sitzen bei Tee und Gebäck in der Bar des edlen Hotels Esplanade. Die strahlend schönen Frauen, die gerade mit ihren Erotikgeschichten „Foreign Affairs“ für Aufsehen sorgen, reden im Plauderton über falschem Hollywood-Glamour und echte Leidenschaft in weißem Satin, über Sex an erlesenden Orten und, mit einem Lächeln, über die bösen Urängste eines jeden Mannes. (Beitragsbild: Wikipedia)
Warum hat der einstige Suhrkamp-Lektor Rainer Weiss „Foreign Affairs“ gekauft?
Sommer: Er sagte, es sei diese unverdruckste Art und Haltung, wie wir schreiben. Geradeheraus und ehrlich, also: ohne Furcht. Ehrlichkeit ist beim Schreiben ja oft ein Problem, bei bestimmten Themen, als Frau noch mehr als bei Männern. Als Frau möchte man sich oft ja schon entschuldigen für alles, was die Harmonie in einer kleineren oder größeren Runde zerstören kann.
Worum geht es in „Foreign Affairs“, diesem Buch, das sich nicht entschuldigt?
Dil: Es sind 34 Geschichten, in denen wir uns die Illusion von Glück und Erfolg angeschaut haben und was das heute noch bedeutet. Wir bewegen uns auf unterschiedliche Art in einer Welt, in der viel Erfolg und Glück vorgegaukelt wird, in der Erfolg und Pseudoerfolg verkauft wird. Für uns hat Glück aber immer etwas anderes bedeutet, als schöne Dinge sammeln…
Sommer: … und Menschen sammeln.
Dil: Genau, große Namen sammeln…
Sommer:...Sport, Sex.
Dazwischen wird Männer Gewalt angetan: Direkt in der ersten Geschichte wartet ein impotenter Ehemann im Wartezimmer eines Gynäkologen, während sich seine Frau eine Tür weiter künstlich befruchten lässt. Er glaubt, sie lasse sich seinen Samen einpflanzen, während sich die Gattin tatsächlich in der Samenbank bedient hat. Das Erbgut eines 23-jährigen Kevin röhrt bereits „wie ein Ferrari“ durch ihren Muttermund.
Dil: Etlichen Männern lief es hier eiskalt den Rücken runter, weil die Geschichte wahre Urängste bedient. Dass man den Fortpflanzungsauftrag nicht erfüllen kann, wie man sollte.
Sommer: Gentest hin oder her – schlussendlich weiß nur die Frau, dass das Kind wirklich nur von ihr ist. Mein Vater, als er die Geschichte gelesen hatte, fand das ganz grauenvoll.
Dil: Aber die Frauen, die lachen bei Lady’s-Only-Lesungen an dieser Stelle. Und die zwei Herren, die dazwischensaßen, die waren schon bedruckst.
Was begeistert Sie an solchen Themen?
Dil: Wir haben das bei vielen Freunden beobachtet, die über Dreißig sind und plötzlich auch sich selbst neu definieren müssen.
Sommer: Will man doch noch erwachsen werden?
DIl: Ich denke, man findet das Glück nur in sich selber, da nutzt es nicht, in den Urlaub oder an einen Glamour-Ort zu fahren, da kann man auch in Kaiserslautern oder Minsk bleiben.
Ariane Sommer war zur Jahrtausendwende Berlins Paris Hilton, Esma Dil schreibt über Mode-TV-Kino-Sterne und Sternchen. In ihren fremdländischen Beziehungsgeschichten treffen sich eben diese Über-30-Jährigen irgendwo zwischen Saint Tropez, Bel Air, Genf – und Kaiserslautern.
Aber warum kommen Männer, siehe oben, bei der Glückssuche so schlecht weg?
Dil: Ich glaube, das war das Beuteschema. Wir haben Frauen beschrieben, die ein gewisses Beuteschema präferieren, die eine mag den erfolgreichen Mann, die andere mag den Schwachen, die andere den Hilflosen, den Kaputten, den Schläger.
Sommer: Es ist kein Blick auf Männer im Allgemeinen, sondern auf bestimmte Typen und Klischees, auf die man selber wieder hereinfällt. Das sagt wahrscheinlich mehr über die Protagonistinnen aus. Wir sind beide große Männerfreunde, Esma hat gerade geheiratet, ich bin seit fünf Jahren mit einem wunderbaren Mann zusammen. Wir haben viele Männer, mit denen wir gerne zusammensitzen und denen wir nicht den Kopf abbeißen.
Weshalb gibt es in „Foreign Affairs“ Kriegsmetaphern?
Sommer: Es gibt keinen offenen Krieg zwischen den Geschlechtern. Aber es gibt noch lange keine Gleichberechtigung. Weder sozial noch von der Doppelmoral, die man überall finden kann. Frauen kriegen immer noch weniger bezahlt. Wir sind da also noch lange nicht so weit. Es ist wohl eher ein Guerilla-Krieg. Es herrscht sehr viel Unsicherheit und Angst,
Dil: Das ganze Leben ist ein Kampf und ein Spiel. Und wir haben in „Foreign Affairs“ die Kämpfe herausgepickt. Es geht nicht nur um einen Kampf der Geschlechter, sondern auch um einen Kampf mit sich selbst. Denn ich glaube, dass wir uns am meisten selbst sabotieren, nicht gegenseitig. Niemand stand mir so sehr im Weg wie ich mir selber.
Ist es immer noch schwierig, über Sex zu schreiben?
Sommer: Nein, finde ich eigentlich nicht.
DIl: Es ist sicherlich eine Herausforderung, es ist nicht ganz einfach, es so zu machen, dass es nicht kitschig oder klischeehaft wird- man muss sich da schon sehr selber editieren, ehrlich sein, nicht immer auf den ersten Gedanken der kommt reinfallen. Das ist oft nur das, was sozial erwünscht wäre.
„Foreign Affairs“ erzählt von globalisierten Erotikidealen. WIe sehen diese aus?
Sommer: Seltsamerweise schaut die Welt immer noch nach Hollywood und den anderen sogenannten kosmopolitischen Zentren des Westens. Von dort werden ein bestimmter Lifestyle, werden gewisse Schönheitsideale und Geisteshaltungen exportiert. Und ich glaube, dass in Ländern, die sich jetzt in einem enormen Aufschwung befinden, China zum Beispiel, ist das Statussymbol das am Schwierigsten zu Erreichende. Aber ich glaube, das wird sich wieder ins Gegenteil umkehren – irgendwann. Im Moment importieren sie unsere Ideale.
Dil: Kulturelle Identitäten verändern sich. Wenn man viel reist und in anderen Ländern lebt, fragt man sich oft: Bin ich wirklich Deutsch? Und was ist ein Kosmopolit? Das ist auch so ein blödes Wort eigentlich? Man hat doch immer irgendeine kulturelle Identität. Ob von seiner sozialen Gruppe, von seinen Freunden, von dem Land, in dem man gerade lebt – man nimmt doch alles mit und obwohl ich einen gemischten Hintergrund habe, finde ich mich in manchen Dingen ziemlich deutsch. Das haben wir bei unseren amerikanischen Männern festgestellt, dass wir dann doch einen sehr realistischen, einen sehr deutschen Blick auf die Welt haben.
Sommer: Dazu gehört dann auch wieder, sich oft im Weg zu stehen. Da habe ich zum Beispiel von den Amerikanern gelernt. Wenn man dort ein Kompliment bekommt, zum Beispiel: Du hast aber eine tolle Haut. Dann sagt man: Oh, nein, aber wenn ich einen Pickel habe, dann ist das ganz schlimm, man dreht das als Deutsche gleich um. Während mein Lebensgefährte in Amerika mal gesagt hat: Sag‘ doch einfach mal danke!
(Ariane Sommer, Esma Anemon Dil: „Foreign Affairs“ Weissbooks, 180 Seiten, 18 Euro)