Marek Harloff (43) ist seit über zwanzig Jahren im Geschäft. Nachdem er lange versucht hat, nicht wie sein Bruder Fabian (der „Tarzan“ aus TKKG) Schauspieler zu werden, ging die Karriere dann doch recht fix los. Nach ersten Rollen in „Ein Fall für Zwei“ kam 1995 „Der Totmacher“ von Romuald Karmakar, 1996 „Der Schattenmann“ von Dieter Wedel, 1997 „Der Skorpion“ von Dominik Graf (mit dem er gerade einen „Polizeiruf 110“ in München abgedreht hat). Später ging Marek Harloff ohne reguläre Schauspielausbildung den ungewöhnlichen Weg vom Film zum Theater, ans Deutsche Schauspielhaus und ans Thalia Theater in Hamburg und ans Nationaltheater in Weimar. Nun ist er zum ersten Mal fest angestellt – am Schauspielhaus in Köln, wo er Hauptrollen in einer lauten „Kabale und Liebe“-Inszenierung und im künstlerisch anspruchsvollen, hartgesottenen „Kippenberger“-Stück von Angela Richter (der Frau von Malerstar Daniel Richter). Der Mann kennt die Film- und Theaterszene. Und er hat Meinung. Zeit für ein Gespräch über Sexsymbole, das Extreme und Daft Punk.
Bist du Film- oder Theaterschauspieler? Ich komme vom Film. Meine große Liebe gehört auch dem Film. Aber ich kann das, was ich im Film machen möchte, besser im Theaterform umsetzen.
Überlebensform Nische? Wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Ich wäre immer gern Mainstream, aber der Mainstream fragt mich nicht.
Blöd, wenn der große Bruder das Sexsymbol in der Familie ist? Das hat sich hoffentlich gewandelt. Aber im Alter von 14 oder 15 Jahren war es für mich der blanke Horror.
Angst davor, dass die Haare irgendwann ausfallen? Nein. Habe ich nicht mehr, weil ich glaube, das wäre ansonsten längst passiert.
Wie fühlt sich die erste Festanstellung an? Total ungewohnt. Ich habe mich sicherer gefühlt, als ich nicht in einer festen Anstellung war. Das Gefühl, nicht zu wissen, was kommt, hat mir eine Form von Frieden gegeben.
Pendeln als Lebensprinzip? Vom Naturell nicht. Es ist für mich eine große Anstrengung, immer wieder von Köln nach Hamburg, trotz Bahncard 100.
Berufswunsch Popstar? Nein. Ich liebe Musik. Aber wie hat es Oliver Kahn gesagt. „Der Fußball ist ein Haifischbecken, in dem Piranhas schwimmen.“ So ist es in jedem Becken und nach Film und Theater fehlt mir die Kraft für die Haifische und Piranhas im Musikbusiness.
Hilft das Philosophiestudium? Im Endeffekt nein. Was ich praktisch gelernt habe hilft mir mehr, als die Theorie der beiden Semester Philosophie und Germanistik.
Wann bist du zuletzt verwechselt worden mit dem Typen, der bei TKKG den Tarzan gespielt hat? Das war vor Kurzem stimmlich am Telefon. Das war irgendeine Versicherung, die mich mit meinem Bruder verwechselt hat.
Ist Daft Punk die einzige Chance, „Kabale und Liebe“ zeitgemäß aufzuführen? Es gibt bestimmt auch andere Möglichkeiten. Aber ich finde es eine sehr konsequente und richtige Interpretation.
Liegen dir die Extremrollen? Ja, auch im Leben. Ich kann total ausrasten und ich habe auch sehr extrem gelebt. Aber ich lebe auch weiterhin sehr extrem.
Du wohnst auf einem Bauernhof. Das heißt aber nicht, dass es immer wie Bullerbü ist. Gerade das Zwischenmenschliche ist bei mir entweder ganz oben, dringlich und wollend. Oder ich rege mich total auf, also: Meine Mitte habe ich mir sehr antrainiert.
Dein Rat an den Schauspielanfänger? Den Mut nicht verlieren. Die Augen offenhalten. Nicht in der Blase Theater oder Film versinken. Aufs Leben schauen, weil man nur dann die Geschichten erzählen kann, die man eigentlich erzählen will.
Wie muss ich mir Theatergroupies vorstellen? Sehr sympathisch. Die schenken einem Bücher und teure CDs, seltene Aufnahmen von „Fidelio“ und noch ein Buch. Als ich in Weimar fünf Jahre lang den Mephisto gegeben habe waren das auch eher erfahrene, reifere Lehrerinnen, die dann mit ihren Klassen mehrfach da waren und von der Inszenierung begeistert waren.
Wie schwierig ist es, in Schauspieler eine Wohnung in Köln zu bekommen? Selbst wenn man ein festes Einkommen hat, die Vierzig überschritten hat und Rücklagen vorweisen kann ist es fast unmöglich. Mich hat das schockiert.
Kippenberger hat oft einen auf die Fresse bekommen. Thomas Bernhard wurde auf offener Straße attackiert. Sind die Zeiten vorbei, als Kunst brutal aufregte? Ich hoffe nicht, dass sie vorbei sind. Aber die Künstler werden braver, sind weniger Bauchmenschen. Es fehlen Typen wie Kippenberger. Es gibt noch ein paar, wie Ben Becker, die den Exzess offensiv leben, obwohl sie wissen, dass es nicht politisch korrekt ist, zu provozieren. Aber solche Menschen sind innovativer, wenn es darum geht, alte Texte ins Heute zu bringen.
Warum fehlt dieser ehemalige Biss, warum ist es so gediegen-nett? Bei vielen geht es nicht mehr darum, eine Vision umzusetzen. Oder sie haben gleich keine Vision mehr. Ab da geht es nur noch darum zu gefallen: dem Publikum, den Redakteuren, der Intendanz.
Warum wirken Stadttheater oft wie Behörden? Das ist der Staub, den die immer noch nicht rausgepustet haben. Das sind festgefertigte Strukturen, wie bei manischen Menschen, die aus ihren selbst geschaffenen Strukturen nicht mehr rauskommen.
Wie wird Theater wieder Stadtgespräch? Das Theater bewegt sich zu viel im Theater. Das kann nicht sein. Das Theater erzählt ja über das Draußen. Theatertipps in der Bravo. Das wäre gut. Oder Theater in der BILD – das ist oft sehr treffend. Es ist reißerisch, aber genau. Intendant Tom Stromberg hat damals in Hamburg gesagt „Das Schauspielhaus muss die beste Kneipe der Stadt werden.“
Verwundert, dass auf der Bühne die Revolution hergezeigt wird, aber Schauspielschüler 30 Euro pro Abend bekommen? Das ist das Absurdum des Theaters. Die Hospitanten oder Assistenten werden ausgenutzt in Stücken, die gleichzeitig von Revolution erzählen und die Ausbeutung anprangern.
Beitragsbild: Matthias Santiago Staehle