Bruce Willis, Uma Thurman, Will Smith heißen die Helden in Tilman Rammstedts neuem Roman mit dem ellenlangen Titel „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters – wie ich sie gern erlebt hätte zumindest am Anfang und ein wenig noch am Ende“.
Auf der Frankfurter Buchmesse Mitte Oktober standen sie auf einmal druckfrisch in den Regalen des Dumont-Verlages: „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“ von Tilman Rammstedt, lange vor der angekündigten Zeit. Der Autor hatte schneller geschrieben als gedacht. Das Werk ist wie üblich von Seite 1 bis 155 durchnummeriert, danach folgt Seite 999, weil Tilman Rammstedt immer schon einen 1000-seitigen Roman veröffentlichen wollte, wobei er im West Art-Interview vor wenigen Tagen sagte: „Es steht Roman drauf. Aber es ist natürlich kein Roman.“ Was ist es: denn dann, wenn es kein 1000-seitiger Roman ist? Die letzten Sätze dieses aberwitzigen Buchs kann man ausnahmsweise zitieren, ohne viel zu verraten. Abgedruckt ist nämlich dieser Brief: „Sehr geehrter Herr Rammstedt, vielen Dank für Ihre Mail, und verzeihen Sie meine verspätete Antwort. Ich musste selbst erst auf einige Rückrufe warten, aber nun habe ich endlich alle Zusagen beisammen. Bis auf Herrn Craig, der leider erkältet ist, würden wir alle gern in ihrem Buch mitspielen. Wir freuen uns schon sehr. Schreiben Sie uns doch rasch, was zu tun ist und ob wir irgendwas mitbringen sollen. Auf gute Zusammenarbeit! Ihre Uma Thurman.“
Das war knapp. Den ganzen Roman über versucht Tilman Rammstedt nämlich, Bruce Willis zu überreden. Er schreibt ihm permanent ranschmeisserische Emails, erkundigt sich nach seinem Befinden, fühlt sich in Seelen- und Körperlage des Actionstars ein. Aber Bruce Willis antwortet einfach nicht, was verständlich ist: Die beiden sind sich nie begegnet. Außerdem: wer will heute schon in Geschichten vorkommen? Die Gerichtssäle sind überfüllt mit realen Menschen, die nicht in fiktiven Romanen auftauchen wollen – Ex-Freundinnen, Ex-Ehefrauen, Ex-Geschäftspartner. Außerdem ist fraglich, ob Bruce Willis die E-Mails jemals gelesen hat.
Gebraucht wird er als Double für Tilman Rammstedts Bankberater. Dieser leicht blasse Typ („ich bin eine äußerst facettenreiche Person. Das Dumme ist nur, dass sich die Facetten so ungemein ähnlich sehen“) soll nämlich seine eigene Filiale ausrauben, hat aber nicht den Mut, diese Sache durchzuziehen. „Die Briefmarkensammlung meines ehemaligen Bankberaters bestand aus einer eingerissenen 55-Cent-Marke und einem Aufklebe-Tattoo. Ihm fehle einfach die Zeit, sagte er. Und die Lust, sagte er. Und die Briefmarken, sagte er.“ So gelingt Tilman Rammstedt die humorvolle Behandlung gleich mehrere Jetztzeitphänomene: Als Emailroman sind „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“ eine Antwort auf alle „Gut gegen Nordwind“-Bände und -Kopien. Der Versuch, einen Weltstar ausgerechnet mit pseudointimen Nachrichten zu gewinnen, liegt vermutlich an dem Internet-Irrglauben, man könne neuerdings jeden Menschen kennen, nur weil der mal ein paar Baby- und Aktfotos auf seiner Twitterwall gepostet hat. Außerdem wird hier der Celebrity-Kult ins Absurde gedreht (seit wann ist Literatur ereignisreicher, wenn Stars auftreten?).
Dieser rundum geglückte Nicht-Roman endet mit der letzten Umschlagseite, auf der eine verlassene Nachricht an Bruce Willis steht. Es geht um ein kurzes Zitat für besagten Buchumschlag, „so etwas wie ‚Dieses Buch ist besser als all meine Filme zusammen.‘ BRUCE WILLIS oder ‚Ich konnte nicht aufhören zu lachen. Und ich lache bekanntlich nie.‘ BRUCE WILLIS. Suchen Sie sich einfach eines aus. Schön wäre es, noch heute von Ihnen zu hören. Der Umschlag wird nämlich morgen gedruckt.“ Und dann lag er auch schon auf dem Dumont-Messestand, ohne Bruce-Willis-Zitat. Besser als alle seine Filme zusammen ist dieses Buch dennoch („Stirb langsam 1“ mal ausgenommen).
Tilman Rammstedt: „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“, Dumont, 160 Seiten, 18,99 Euro