Die Kölnerin Astrid Rosenfeld erzählt in ihrem Debütroman „Adams Erbe“ vom Warschauer Ghetto und von Gothic-Sorgenpuppen aus Berlin. Ihr Held züchtete Rosen. Astrids Nachname heisst „Rosenfeld“. Zufall?
In diesem Buch tritt eine Altardecken stickende Großmutter auf, ein Ersatzpapa der wie Elvis aussieht und ein jüdischer Undercover-Nazi, der Rosen züchtet. Und umgeben von Kunstnerds verkauft der jüdische Held Edward Cohen im Nachwende-Berlin Designerhosen und Gothic-Sorgenpüppchen in seiner Hip-Boutique „Teuer“. Krude Mischung. Irres Setting. Edwards Vater ist schon lang verschollen. Der zwischenzeitliche Ersatzpapa Jack kam bei einem Autounfall ums Leben.
Edward lebt also in haltlosen Verhältnissen. Seine frühere Klavierlehrerin zog es nach Wien, um dort einen angeblichen Nachfahren Chopins unterrichten. „Es dauerte eine ganze Weile, bis ich begriff, dass Chopin ein längst verstorbener Komponist war und nicht der beste Freund meiner Klavierlehrerin“, gesteht Edward am Anfang und er ahnt: Des Wahnsinns fette Beute lauert in seinem Leben.
Als ihm dann ein Stapel Papier vererbt wird, geschrieben von seinem jüdischen Großonkel Adam Cohen, beginnt der Roman ein zweites Mal. – „Fängt man an zu schreiben, weil es jemanden gibt, dem man alles erzählen will? Fängt man an zu erzählen, weil der Gedanke, dass alles einfach verschwinden soll, unerträglich ist?“ Diese beiden Fragen stehen am Anfang des Debütromans von Astrid Rosenfeld. Bis diese Fragen beantwortet werden, irrt der Jude Adam durch die chaotischen 20er und furchterregenden 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
In der Bibel beziehen sich Altes Testament und Neues Testament aufeinander. Das Neue Testament kann als Erfüllung der vielen Prophezeiungen des Alten Testaments gelesen werden. Und diesem Prinzip folgend wird im zweiten Teil von „Adams Erbe“ die gleiche Geschichte unter umgekehrten Vorzeichen neu erzählt. Das ist ein raffinierter, für ein Debüt außerordentlich bemerkenswerter Kniff. Adam spielt allerdings kein Klavier wie Edward, sondern Geige und seine Püppchen sind aus Lappen geknotete Gettospielzeuge und keine In-Style-Gothicpüppchen wie Edwards Berliner Boutique.
Aber während Edwards Ersatzpapa Jake mit allerhand kriminellen Scharaden auffliegt (dem Verkauf von gefälschten Schildkrötenfossilien, dem mehrfachen Griff in katholische Opferstöcke), landet Adam durch Verbindungen einen Coup. Als Rosen züchtender Nazi versteckt er sich nach 1939 in einer polnischen Parkanlage, angeblich als Undercover-Spion, um die Zwangsarbeiter auszuhorchen. Und er hätte überlebt. Doch die Liebe wird Adam umbringen. – Dieses Buch ist gefährlich, schonungslos humorvoll und wahr. Es verbindet Berlin und Warschau, 1989 und 1933, Verbrecher und Heilige. „Adams Erbe“ ist großartig.
(Astrid Rosenfeld: „Adams Erbe“, Diogenes, 388 Seiten, 21,90 Euro)