Für das „A-Z Bachmannpreis“, erschienen in der aktuellen Ausgabe von Der Freitag, habe ich etliche Klagenfurter Recken angeschrieben – und am morgigen Tag wird ein Director’s Cut des Alphabets erscheinen, mit etlichen weiteren Begriffen. Gefragt habe ich freilich auch Heimo Strempfl, Direktor des Musilmuseums, der mir über Facebook antwortete (von eben da habe ich auch das großartige Beitragsbild, das Karen Kuttner Jandl entworfen hat. Ich bat Heimo, ein paar Zeilen über Ingeborg Bachmann zu verfassen. Der Text ist dann doch etwas länger geraten – und somit der erste LesenMitLinks-Gastbeitrag. Ich schaue derweil von Wuppertal aus zu und spare mein Geld für eine Wörthersee-Reise im kommenden Jubiläumsjahr.
Lieber Jan, es ist schade, dass Du in diesem Jahr nicht in K. bist! K., so nennt Ingeborg Bachmann ja auch ihre Geburtsstadt im Süden Österreichs. Es ist ein sehr schöner Gedanke, dass ihr alle, dass so viele Literaturinteressierte, so viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller, alljährlich Ende Juni in Bachmanns Namen in ihre „Ligusterstadt“ kommen, wie Uwe Johnson „Eine Reise nach Klagenfurt“ unternehmen, 2016 dann bereits zum vierzigsten Mal. Das haben wir dem Schriftsteller Humbert Fink zu verdanken, der die Idee hatte, einen Literaturwettbewerb nach dem Vorbild der Diskussionen der „Gruppe 47“ ins Leben zu rufen. Fink, Ende der fünfziger Jahre selbst Mitglied der Gruppe 47, fand in Ernst Willner, dem damaligen Landesintendanten des ORF Kärnten einen Mitstreiter und in Marcel Reich-Ranicki, damals Leiter des Ressorts für Literatur und literarisches Leben in der Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, den richtigen Multiplikator. Ingeborg Bachmann hatte sozusagen aus der Mitte der Gruppe 47 heraus (Männer, Autoren, Geliebte dabei hinter sich lassend) ihre steile literarische Karriere gestartet. Mit einer Sprache, die heute noch genauso funkelt wie zur Entstehungszeit.
„Die Bachmann“ hat ihren Männern, zumindest aus deren eigener Perspektive betrachtet, stets viel zugemutet und uns Österreichern nicht nur in ihren Erzählungen die Wahrheit, über die Kontinuitäten zwischen der NS-Zeit und dem Nachkriegsösterreich beispielsweise. All das war aber nur möglich, weil Ingeborg Bachmann sowohl mit ihrem literarischen Werk als auch mit Entwurf eines selbstbestimmten femininen Lebens – jedenfalls von K. aus gesehen, wo ich gerade bin – von der Mitte der fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts bis Anfang der siebziger gleichsam für eine „Ausweitung der Literaturzone“, für eine Erweiterung des Blickwinkels, gesorgt hatte, als eine Figur, die weit über dieses K. hinausragt. Etwa bis nach Böhmen.
Und wer wüsste heutzutage nicht, dass Böhmen am Meer liegt? Zweifelt jemand daran?Wenn der Schriftsteller Josef Winkler später in Rom literarisch seinen „Friedhof der bitteren Orangen“ beschreiben konnte, so tat er das in der „Bachmannstadt“ Rom. Und wer kennt es nicht, jenes Bild, welches „la Signora Bachmann“, in einen schwarzen Mantel gekleidet, graziös durch die Via dei Condotti schreitend zeigt, eine Römerin. Man meint, Hans Werner könne nicht weit sein. Vielleicht tritt er gleich, aus der Via Bocca di Leone kommend, an Bachmanns Seite. Oder Uwe Johnson gesellt sich zu ihr, in einem Park in Berlin-Friedenau. Berlin ist eine „Bachmannstadt“, Wien selbstverständlich. Auch New York sei eine, fand Peter Hamm, als er sich auf eine filmische Suche nach I.B. begab. Und letztlich doch K. Lieber Jan, besser du kommst im nächsten Jahr wieder an den (wie die Schriftstellerin Judith Keller findet) grün blühenden Wörthersee und wir reden im Garten des ORF-Theaters weiter oder im Musil Museum. Es grüßt Dich herzlich von ebendort, Heimo
(Das Bild rechts ist von Wikipedia und zeigt ein Graffito von Jef Aerosol am Musilhaus in Klagenfurt.)
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