Der Klappentext verspricht: “Sebastian 23, bekannter Poetry-Slammer und studierter Philosoph, hat das lustigste Buch seit Immanuel Kants ‚Kritik der reinen Vernunft‘ geschrieben.“ Vermutlich hat der Verlag Recht.
“Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass der Mensch sich instinktiv Gedanken über den Sinn mancher Tasten auf der Fernbedienung macht als über den Sinn des eigenen Lebens – um seinen eigenen Sinn. Diese gedankliche Demut ehrt den Menschen und zeigt zugleich, dass wir klammheimlich allesamt die Fernbedienung als überlegene Spezies akzeptieren.“ Ab hier hat Sebastian 23 den letzten Skeptiker, der denkt, Philosophie sei Nerdkram für Pullunderträger, wobei man fairerweise sagen muss, dass auch der Skeptizismus eine philosophische Strömung ist.
Immanuel Kant, der hat jeden Tag ein Glas Senf gegessen und nach Gottfried Wilhelm Leibniz ist ein Keks benannt. Das ist übrigens beides wahr. Im 19. Jahrhundert wurden etliche Produkte nach bekannten Persönlichkeiten benannt (Mozartkugeln, Schillerlocken, Bismarckhering). So kam Bahlsen auf den „Leibniz-Cake“. Philosophie ist also durchaus für kuriose Erkenntnisse jenseits der „Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde gut“. Philosoph und Poetry-Slammer Sebastian 23 hat nun das komödiantische Potential alter Denkstars wie Thales von Milet („fiel in einen Brunnen“) oder Simone de Beauvoir („Machte Sartre den Haushalt, war aber dagegen.“) gehoben.
Das durchaus wagemutige Experiment ist ihm mit „Theorie und Taxis“ großartig gelungen. Die Verbindung der beiden Begriffe folgt im Comedysektor zwangsläufig aus einem Philosophiestudium. Erst ausschlafen, dann Taxi fahren, so will es das Klischee – und Comedy lebt von Klischees. So ist Paul Borchert, Alter Ego von Duisburger Sebastian 23, in diesem kleinen Buch eben ein Taxikutscher aus dem Ruhrgebiet.
Während der Fahrten wälzt er mit seinen Passagieren die großen Fragen der Philosophie: Was ist Freundschaft? Was ist Glück? Was ist schön? Jetzt außer Natalie Portman…? Oder genauer. „Dieses Buch ist das Zeugnis von einem, der sich mit Neugier und Fragen ins Philosophiestudium stürzte und dann jahrelang mit Wissen aufgefüllt wurde, bis es ihm zu den Ohren wieder raustropfte.“ Es gibt zwischen den kleinen Kapiteln ein Philosophiequartett zum Ausschneiden, wo Sokrates den großen Denker Franz Beckenbauer allein deshalb schlägt, weil er auf 13820000 Google-Hits kommt, während der Kaiser nur 2410000 für sich verbuchen kann. Dabei ist es nicht einmal abwegig, Beckenbauer der Philosophie zuzurechnen, hat er doch selbst vor einigen Jahre ein Büchlein mit Sinnsprüchen unter dem Titel „Das Buch Franz“ veröffentlicht.
“Aber zurück zum Glück. Es gibt eben noch eine andere Sache, die wir auch als Glück bezeichnen. Die klugen Engländer haben zur besseren Unterscheidung zwei ‚Wörter‘ – jenes Losbuden-Glück nennen sie ‚Luck‘, dieses Glück, nach dem wir streben, heißt ‚Happiness‘. Aber beneiden wir die Engländer nicht zu sehr ob ihrer vielen Wörter, zum Ausgleich haben sie nur eine Soße und das ist Pfefferminz.“ Auf diese ganz und gar unpeinliche Weise schubst Sebastian 23 seine Fans durch die Philosophiegeschichte, ohne einmal an Jostein Gaarders „Sophies Welt“ oder das Gesamtwerk Richard David Prechts zu erinnern. „Epikur mit Partyhut? Descartes beim Dosenstechen?“ Schwer vorstellbar – aber hier funktioniert es.
Sebastian 23. „Theorie und Taxis“, Carlsen, 158 Seiten, 9,99 Euro