Suhrkamp-Dichter Albert Ostermaier („Herz Vers Sagen“) liefert die besten Fußball-Hymnen zur WM in Brasilien. Dazu gibt es Bilder von Ex-Punk Florian Süssmayr und ein Vorwort des Torwart-Titans Oliver Kahn.
Vielleicht fing alles mit Peter Handkes konkretem Gedicht „Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27.1.1968“ an. Die Lyrik verband sich mit dem Fußballsport – es wurde Gedicht. Etliche Schriftsteller schreiben seit Jahren über ihren Lieblingsverein, über Real Madrid (Javier Marías), Eintracht Frankfurt (Eckhard Henscheid), oder den FC Arsenal (Nick Hornby). Als Bestsellerautor Saša Stanišić im März diesen Jahres einen Tag vor der Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse gefragt wurde, ob er lieber gewinnen oder den Klassenerhalt des HSV erleben würde, war seine Antwort klar. Jederzeit würde er auf die 15.000 Euro Preisgeld verzichten. Nur der HSV!
Suhrkamp-Lyriker Albert Ostermaier, Porschefahrer und Fußball-Torhüter der deutschen Autorennationalmannschaft, feuert Bayern München an. Zur Kutte kommt der Barbitus mit rechtschaffenen Oden an Oliver Kahn. Zur WM in Brasilien legt er mit dem kleinen Band „Flügelwechsel“ nach und Gedichten zu Philipp Lahm („er ist der intelligenteste/spieler den ich je trainiert/habe sagt sein trainer“), Bastian Schweinsteiger („was denkst du bergsohn/den adler zeus im auge/kreist er in dir die seele suchend“) Thomas Müller („er brachte das feuer ins/spiel die zündende idee) und anderen Kickern des aktuellen Nationalkaders. Das defensive Spiel liegt Ostermaier nicht. „Flügelwechsel“ ist intellektuelles Pressing. Es gibt „eine kontrafraktur frei nach goethes sturm und drang: für michael ballack“ und Wutausbrüche, die direkt aus der Nordkurve kommen: „die regenbogenpresse will im regen deine fresse.“ Ostermaier vergleicht Mittelfeldspieler Franck Ribery mit Comichelden René Goscinnys wie Asterix und Lucky Luke, wenn er schreibt: „er läuft schneller als sein/schatten schneller als ein franzose/sprechen kann dribbelnd als/trage er eine tarnkappe/ein asterix dem zaubertrank/durch die adern schiesst“.
Hans Meyer ist beim Dichter nicht nur der Trainer mit der großen Klappe, sondern auch der gleichlautende Literaturwissenschaftler, der hier mitten im Spiel Nabokov (Lolita) einwechselt „und in den schienbeinschoner hinein einen zettel den er im traum schrieb“ entdeckt haben will. Man muss „sich camus als einen glücklichen torwart vorstellen“ und Davids Gegenspieler Goliath träumt irgendwann: „wenn ich gross bin werd ich ein titan/meine hände wachsen schau sie dir an/gross wie von king kong werden sie sein/finger wie wolkenkratzer hab ich dann/nach dem spiel ein mädchen im arm“. Der hier Besungene Oliver Kahn erläutert im garantiert selbst verfassten Vorwort (der Verlag beschwört es) tiefe Verbundenheit zwischen Dichter und Denker: „Albert war fasziniert von meinem unbändigen Willen als Torwart, meiner Interpretation des Torwartspiels. Mich fasziniert schon immer seine Fähigkeit sich auszudrücken, seine lyrischen Umschreibungen sind einzigartig.“ Zusammen mit den Fußballgemälden des Ex-Punks Florian Süssmayer (der auch der Beitragsbild hier beisteuert – es zeigt das Müncher Olympiastadion) ist „Flügelwechsel“ bestes Mitbringsel für den Party-Final-Abend am 13. Juli – durchzulesen in zwei Halbzeitpausen.
Albert Ostermaier: „Flügelwechsel“, mit Bildern von Florian Süssmayr (Beitragsbild) und einem Vorwort von Oliver Kahn, Insel, 112 Seiten, 13,95 Euro
(hier geht es zum Radiobeitrag aus 1LIVE Plan B mit Christiane Falk)