Feuilletontagung II: „Klicks statt Kohle“ – Die Umfrage

„Haltet ihr es für notwendig, eine finanzielle Gegenleistung für das Bloggen zu bekommen?“ Diese bei einer Podiumsdiskussion aufgekommene Frage stellte Stephanie Sack von „Nur Lesen ist schöner – eine Ode an das Lesen“ ihren Buchblogger-Kolleginnen bei Facebook am 18. November. 

Schnell war klar, dass jeder gerne Geld verdienen würde, jedoch bislang keiner richtiges Geld mit seinem Blog verdient hat. Ernsthafte Blogger würde sich niemals für seine Rezensionen vom Verlag bezahlen lassen. Einige scheuen generell die Auseinandersetzung mit finanziellen Dingen, weil aus den benachbarten Branchen der Food-, Mode- und Reiseblogger Profis bekannt sind, die gerade deshalb irgendwann den Spaß verloren und ihren Blog eingestellt haben. Bloggen soll Spaß machen – und doch zeigen Texte wie „Sara, mir graut’s vor Dir“ von Thomas Brasch, der Zusatz „die Feuilletonalternative“ bei 54books, der Blogname „Literaturen“ bei Sophie Weigand oder „Intellectures“ von Thomas Hummitzsch, dass ernsthafte Buchblogs Qualitätsansprüche haben.

Für den Vortrag „Klicks statt Kohle – Digitale Literaturkritik zwischen Performanz und Prekariat“, den ich heute bei der Feuilletontagung in Graz halte, geht es um drei grundlegende Fragen der sozialen Betrachtungsweise von Buchblogs. Ich wollte von neun ausgewählten Literaturbloggern wissen, ob sie glauben, dass man mit ihrer Leidenschaft irgendwann ausreichend Geld verdienen kann, welche Strategien sie selbst verfolgen und unter welchen finanziellen Gesichtspunkten sie ihren Blog betreiben.

Literaturen

SOPHIE WEIGAND

http://literatourismus.net / „Literaturen“

Glaubst Du, dass man mit Literaturblogs (irgendwann) ausreichend Geld verdienen kann? Persönlich glaube ich das nicht. Man kann sich mit einem Literaturblog eine Reputation erarbeiten und dadurch zu Aufträgen gelangen, die bezahlt sind. Aber dass man mit dem Blog selbst ausreichend Geld verdienen würde, ist eine Utopie. Jedenfalls in der Buchbranche. Zu viele Fragen sind da ungeklärt: begonnen bei dem Finanzierungsmodell selbst bis hin zu den Geldgebern. Wer sollte das sein? Ein Verlag? Die Leser? Eine Stiftung?  Andere Wege wie Werbeanzeigen und Affiliate-Links haben sich auch nicht als besonders erfolgreich erwiesen. Nein, von diesem „Ich kann mit der Seite selbst Geld verdienen“ habe ich mich verabschiedet.

Welche Strategien stellst Du Dir vor? Strategien zum Geldverdienen mit dem Blog? Das kann ja Vieles sein: wie gesagt, Werbung, Affiliate-Partnerschaften, Sponsored Posts, eigene exklusive Angebote wie z.B. E-Books (das hat mir mal jemand vorgeschlagen, allerdings halte ich ein E-Book mit gesammelten Rezensionen, die jeder auch kostenlos auf dem Blog lesen kann, für nicht besonders erfolgversprechend) oder Inhalte, die man nur gegen Bezahlung erhält, Zusatzkanäle wie Youtube. Aber, wie gesagt, nach wie vor halte ich es für sinnvoller, sich mit Menschen der Branche zu vernetzen, um sich einen Namen zu machen. Gegebenenfalls kommt man dann auf mich zurück, weil man meine Blogarbeit kennt und sich darüber hinaus eine Zusammenarbeit vorstellen kann. Der Blog ist die Visitenkarte.

Unter welchen finanziellen Gesichtspunkten betreibst Du Deinen Blog? Vorrangig unter gar keinen. Ich habe Vieles versucht (Affiliate, publikumsbezogene Werbeanzeigen, VG Wort etc.), Vieles ist letztlich gescheitert. Ich tue das, weil ich Spaß an der Sache habe. Gegen ein finanzielles Zubrot (Zubrot, nicht Monatsgehalt) hätte ich nichts einzuwenden. Aber eine Lösung hat sich dafür bisher nicht ergeben.

intellectures

THOMAS HUMMITZSCH

http://www.intellectures.de / „intellectures“

Glaubst Du, dass man mit Literaturblogs (irgendwann) ausreichend Geld verdienen kann? Aktuell kann man es jedenfalls nicht, wenn man nicht zu einer wilden GoogleAd-Seite werden will. Mir ist kein Literaturblog bekannt, der Verlagswerbung auf seinen Seiten hat. Das heißt nicht, dass es das nicht gibt, aber es ist zumindest nicht Usus. Und solange Verlage und Blogger_innen da nicht offensiver aufeinander zugehen und einen gegenseitigen Mehrwert erkennen, wird das auch perspektivisch nichts werden. Aktuell gibt es eher gegensätzliche Tendenzen, manch Blogger_in empfindet sich ja bereits korrumpiert, wenn er_sie ein Rezensionsexemplar erhält. Solche Kindereien verhindern ein Aufeinanderzugehen erst recht.

Welche Strategien stellst Du Dir vor? Nun, die Verlage werden sich perspektivisch etwas einfallen lassen müssen, wollen Sie Ihre Buchanzeigen nicht zwischen Börsenmeldungen und Kleinanzeigen wiederfinden. Denn der Platz für Kulturberichterstattung nimmt perspektivisch ab – ganz aktuell: man beachte bspw. die Strategie des unter Druck geratenen Tagesspiegels, der Trends aufgreifen und zukunftsträchtige Bereiche stärken will (Kultur gehört nicht dazu) – und damit auch der Platz, Anzeigen in passender Umgebung zu schalten. Da wäre doch Bewegung möglich, gut gemachte Kulturseiten könnten hier eine neue Umgebung online bieten. Vielleicht fällt es aber auch weg – die Orte, wo über Bücher diskutiert und damit auch „Werbung betrieben“ wird, haben im digitalen Bereich stark zugenommen. Die Frage, ob es Printanzeigen braucht, müsste also auch mal gestellt werden – und die Verlage schaffen sich ihre eigene „softe Marketingumgebung“. Verlagsblogs wie hundertvierzehn, Logbuch Suhrkamp oder resonanzboden sehe ich als solche Umgebungen, die natürlich einfacher zu pflegen sind und den Aufwand geringer halten, als bei den unzähligen Blogs die Spreu vom Weizen zu trennen. Ich als Blogger kann nur meine Seiten als Anzeigenumgebung bieten, tue das offensiv aber im Moment zugegebenermaßen nicht, weil ich mir erst über die klare Trennung zwischen Werbung und Inhalt Gedanken machen muss.

Unter welchen finanziellen Gesichtspunkten betreibst Du Deinen Blog? Der einzige Gesichtspunkt, der irgendwie finanziell ist, ist der, die Ausgaben so gering zu halten, dass sie mit den freiberuflichen Einnahmen ausgeglichen werden können. Ansonsten ist der Blog unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein finanziell desaströser, aber dauerhafter Arbeitsnachweis, von dem jeder BWLer abraten würde. Ich mache es dennoch. Redakteure und Medien haben so relativ schnell einen Eindruck meiner Schreibe und Herangehensweise.

Addendum Vielleicht müssen wir „professionellen Blogger“ uns zusammentun und Literaturbüros gründen, die nicht Bücher, sondern Rezensionen und Reflexionen verkaufen. Ich sitze bspw. auf einem Interview mit Bora Ćosić, dass ich aufgrund auflaufender stehsätze oder Platzmangel nicht loswerde. Kaum einer hat bislang »Die Tutoren« aufgegriffen, es wäre echt eine Chance. Aber was soll ich sagen… Es ist zum heulen.

SchoeneSeiten

CATERINA KIRSTEN

https://caterinaseneva.wordpress.com / Schöne Seiten

Ob man mit Blogs (ausreichend) Geld verdienen kann, kommt auf die Ausrichtung an. Bei Blogs wie meinem, die sich mit der sogenannten E-Literatur befassen, glaube ich nicht daran, denn dafür ist die Zielgruppe zu klein und die Arbeit somit nicht in Geld übersetzbar. Blogger, die sich der Mass-Market-Literatur widmen und insgesamt breiter aufgestellt sind (also mehrere Genres bedienen), haben in der Regel ein größeres Publikum und somit auch einen größeren ‚Wert‘. Hier sind Einnahmen beispielsweise über Werbeanzeigen oder Affiliate-Programme sicher denkbar. So oder so bezweifle ich aber, dass das jemals Dimensionen wie etwa bei Mode- oder Lifestyleblogs annehmen wird, da die Literatur dafür doch zu sehr Nischenthema ist. Ich strebe aber ohnehin nicht an, vom Bloggen leben zu können, denn das würde Druck erzeugen, ich müsste mich bestimmten Zwängen unterwerfen. Insofern betreibe ich meinen Blog unter keinen finanziellen Gesichtspunkten. Allenfalls zahlt er sich indirekt aus: indem ich Kontakte knüpfe und Projekte zustande kommen. Der Blog ist wie eine Visitenkarte, eine Möglichkeit, auf mich aufmerksam zu machen; er öffnet mir Türen.

54books

TILMAN WINTERLING

http://www.54books.de / 54Books – die Feuilletonalternative

Glaubst Du, dass man mit Literaturblogs (irgendwann) ausreichend Geld verdienen kann? Wir haben uns gerade unter Bloggern ausgetauscht und dabei kam zur Sprache, dass man mit einem etwas etablierteren Blog bereits an die 300 € über das Amazon Affiliate Programm im Monat verdienen kann. Kämen hierzu Zahlungen von einzelnen bezahlten Artikeln, kann man sicher auf das Existenzminimum kommen, dass dies aber jemandem in der Szene von ernsthafter betriebenen Literaturblogs bisher gelungen wäre, ist mir unbekannt.

Welche Strategien stellst Du Dir vor? Es wäre eine Mischkalkulation notwendig, einerseits zwischen Erlösen aus Affiliate Programmen andererseits aus fixen Zahlungen für Artikel, andererseits müsste man sicher auch für Externe schreiben. Es ist nicht selten, dass bereits Blogger für andere Medien geworben wurden und von diesen bezahlt werden, dann aber natürlich für Artikel, die in diesen anderen Medien erscheinen.

Unter welchen finanziellen Gesichtspunkten betreibst Du Deinen Blog? Momentan eigentlich keine, ich erfreue mich vielmehr an Synergieeffekten. Dies sind natürlich Rezensionsexemplare, aber auch Einladungen zu Veranstaltungen, Kinobesuche, Verlagsbesichtigungen. Einer Monetarisierung würde ich mich trotzdem nicht verschließen.

Brasch

THOMAS BRASCH

https://thomasbrasch.wordpress.com / brasch & buch

Literatur ist kein lukratives Blogbusiness. Wenn jemand Talent zum Bloggen hat und damit Geld verdienen möchte, sollte er den Fokus auf andere Themen legen. Zwei Hemmnisse sehe ich, um als Literatur-Blogger Geld zu verdienen:  Erstens der enge Kulturraum – sprachlich und thematisch. Nur wer in Englisch bloggt hat Aussicht auf genügend Blogbesucher und Follower. Und selbst Englisch schreibende gutverdienende Literatur-Blogger dürften rar sein.

Denn das zweite Hemmnis ist: Entertainment. Unter den Literaturbloggern dürften sich nur wenige geborene Entertainer finden, dafür weit mehr Talente zum Dozieren. Doch wer als Blogger erfolgreich sein will, muss primär unterhalten können, muss überraschend und amüsant sein, nicht belehrend und idealerweise telegen.  – Die Ausnahme des „unterhaltsamen Dozenten“ kann es geben. Ein paar Literatur-Blogger könnten über Videoformate und ihren persönlichen Stil so unterhaltsam sein, dass sie eine ausreichend große Fangemeinde aufbauen, die ihnen diverse Einnahmen ermöglicht. Ich vermute sogar, dass man ein paar der Literatur-Blogger entwickeln könnte, wenn man sie professionell promotet – vorausgesetzt, sie sind bereit, den Entertainer zu machen. Für die anderen, weniger telegenen Bloggertalente schaffen vielleicht ein paar neue Onlinemedien (aktuell der Versuch „Tell“) einen kommerziellen Raum für Literaturbesprechungen.  Ansonsten dient der Blog einzig als Visitenkarte, um sich in der Literaturbranche für manch honorierte Aufgabe zu empfehlen.

Papiergefluester

SIMONE DALBERT

http://www.papiergefluester.com / papiergeflüster

Glaubst Du, dass man mit Literaturblogs (irgendwann) ausreichend Geld verdienen kann? Nicht in absehbarer Zukunft. Sobald ein Verlag ein Blog in irgendeiner Form finanziell unterstützt, kommt der Verdacht der Beeinflussung auf. Ob die gegeben ist, hängt sicher vom Blogger ab. Manchmal frage ich mich allerdings, warum dass in anderen Branchen weniger ein Problem ist.

Welche Strategien stellst Du Dir vor?  Die einzige Strategie, mit der man nicht unter den Verdacht der Beeinflussung gerät, sind momentan Affiliate Programme. Die aber auch nur bei Blogs mit großer Reichweite und dem passenden Affiliateprogramm wirklich Provision bringen, leider ist das wohl Amazon. Sobald die Nutzer ein neues Kundenkonto anlegen müssten, nutzen sie den Affiliatelink nicht mehr. Bei Amazon haben die meisten sowieso ein Kundenkonto. Wer ein Problem damit hat auf Amazon zu verlinken, wie ich als Buchhändlerin zum Beispiel, wird erst einmal noch ohne Verdienst weiter bloggen müssen. Ich kenne auch kein Buchblog, das von den Affiliate-Einnahmen leben könnte.

Unter welchen finanziellen Gesichtspunkten betreibst Du Deinen Blog? Unter indirekten finanziellen Gesichtspunkten. Mit meinem Blog selbst möchte ich kein Geld verdienen, das ist und bleibt Hobby. Ich biete die Möglichkeit an mir etwas zu spenden, in der Hoffnung, damit vielleicht einen Teil der Kosten decken zu können, die ein Blog ja auch verursacht. Aber dank meines Blogs habe ich inzwischen die Möglichkeit, bezahlte Artikel auf anderen Plattformen zu veröffentlichen, zum Beispiel zu meinem Spezialgebiet „ebooks im Buchhandel“. So gesehen bringt mir mein Blog dann doch auch einen finanziellen Vorteil.

Mara

MARA GIESE

http://buzzaldrins.de / Buzzaldrins Bücher

Glaubst Du, dass man mit Literaturblogs (irgendwann) ausreichend Geld verdienen kann? Die Frage ist kaum zu beantworten, da „ausreichend Geld“ für jeden eine unterschiedliche Summe ist. Der eine muss eine Familie ernähren, der andere lebt alleine. Ich glaube, dass – übrigens auch in anderen Bereichen – nur in Ausnahmefällen ausreichend viel Geld mit dem Blog alleine verdient werden kann. Geld mit seinem Blog zu verdienen ist in meinen Augen aber auch nicht moralisch verwerflich – woran ich glaube, ist, dass der Blog ein Sprungbrett für Aufgaben sein kann, die bezahlt werden. Ich habe meinen Job – ich bin seit zwei Monaten Volontärin in einem Digitalverlag – auch dank meines Blogs gefunden. – Wir Blogger sind Experten auf unserem Gebiet und sollten unser Expertenwissen nicht nur unentgeltlich anbieten: lasst uns doch Vorträge halten, Bücher veröffentlichen, Dienstleistungen anbieten. Ich glaube, dass es im Literaturbetrieb eine Tendenz dazu gibt, Dinge umsonst zu machen. Dies macht es den Literaturbloggern schwerer, Geld mit dem zu verdienen, was sie tun.

Welche Strategien stellst Du Dir vor? Ich befürchte, dass es nicht DIE eine Strategie gibt, die es uns ermöglichen wird, Geld mit dem Blog zu verdienen – ich selbst strebe eine Mischung aus vielerlei Strategien an:

– Werbung (für Verlage, Buchhandlungen, Unternehmen rund um das Produkt Buch)
– Affiliate Links zu Onlineshops
– Google Adsense
– ausgewählte Kooperationen und Aufträge, die vergütet werden
– Beratertätigkeiten, Dienstleistungen, Vorträge, eigene Produkte

Unter welchen finanziellen Gesichtspunkten betreibst Du Deinen Blog? Ich habe aus einer Freude und Leidenschaft angefangen zu bloggen und ohne diese Leidenschaft und den Eigenantrieb, kann es in meinen Augen auch nichts werden. Was ich mir wünschen würde, wäre ein finanzielles Zubrot.

Biblio

DOROTA FEDERER

http://bibliophilin.de / Bibliophilin

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man mit Literaturblogs in ferner Zukunft Geld verdienen könnte, aber man wird damit nicht reich werden. Die Branche hat nicht so viel Geld wie beispielsweise die Modewelt. ich verdiene mit meinem Blog kein Geld (bekomme allerdings hin und wieder ein Rezensionsexemplar), schalte keine Werbung, biete keine bezahlten Artikel an. Ich kann mir jedoch durchaus vorstellen für Verlage gezielt Bannerwerbung zu schalten, es ist bisher aber noch nicht wirklich Thema gewesen.

Karla 2

KARLA PAUL

http://buchkolumne.de / Buchkolumne

Glaubst Du, dass man mit Literaturblogs (irgendwann) ausreichend Geld verdienen kann? Das kommt auf die Definition von „ausreichend“ an – bei mir würde es, wenn ich wollte, für einen Hauptberuf reichen. Aber wie in allen Bereichen wird das nur für einige wenige gelten (ist ja bei Autoren auch nicht anders), der Rest wird sich eher ein Zubrot verdienen oder es als kostendeckendes Hobby betreiben.

Welche Strategien stellst Du Dir vor? Für ein professionelles Betreiben muss man auch ein dementsprechender Partner sein, man muss seine Zahlen bzw. Mediadaten veröffentlichen, regelmäßig bloggen und seine Inhalte unter anderen Gesichtspunkten planen; mit was kann ich wie viel Geld verdienen, wie arbeite ich mit SEO so erfolgreich, dass möglichst viele neue Leser auf die Seite kommen, wie betreibe ich Presse und Selbstmarketing? Mit Affiliate zu Shops, Marketingaktionen für Verlagen, Moderationen, Vorträgen und Büchern kann man seine Expertise beweisen als auch Geld verdienen, wenn man sich dementsprechend aufstellt.

Unter welchen finanziellen Gesichtspunkten betreibst Du Deinen Blog?  Aktuell ist der Blog ein Hobby, mit dem ich unregelmäßig Geld verdiene – er soll mir Spaß und Freude bringen und den Lesern hoffentlich ebenso. Ich will aber nicht ausschließen, dass ich das demnächst ändere.

Mesch

STEFAN MESCH

https://stefanmesch.wordpress.com / Stefan Mesch

Ich bin Kritiker – und will bezahlt werden. Und ich bin Blogger – weil ich Dinge über Bücher, Comics, Diskurse weiß, sie öffentlich festhalten will und merkte: Auf Facebook rutschen sie weg, sind nicht mehr zu finden. Mein Blog ist der Ort, an dem ich meine 20 Lieblingsbücher oder Lieblingssongs des Jahres aufliste. Erkläre, welche „Batwoman“-Comics man am besten in welcher Reihenfolge liest. Literaturblogs empfehle oder meine Vorauswahl als Rezensent öffentlich mache. Listen, Notizen, Stichpunkte, Links, Empfehlungen. Nichts, das substanziell genug wäre, als dass ich dafür Geld verlangen wollte/könnte. Umgekehrt aber heißt das: Jedes Mal, wenn ich einen längeren Text in den Blog stelle, weil ich sonst keinen Veröffentlichungsort habe… jedes Mal, wenn ein Wochenende mit Bloggen verbringe, weil Redakteure nicht noch auf meine Anfragen geantwortet haben… jedes Mal, wenn ich im Blog über Bücher spreche, in denen ich eigentlich gerne im Radio, in Zeitungen sprechen würde… lief etwas schief:

Ich finde es in Ordnung, wenn Leute mich „der Blogger“ nennen statt „der Kulturjournalist“. aber mein Ziel, vor 12 Jahren, als ich mein Studium begann, war: Vom Schreiben leben können. mein Blog ist der Ort für all das, was bei einer DVD „Bonusmaterial“ heißt.  Wenn zu viele *richtige* Texte nur auf meinem Blog landen/stattfinden, entwerte ich die journalistische Arbeit, die ich… für meinen Beruf halte – nicht für mein „Hobby“, nicht für meine „Leidenschaft“.  Dass Texte von mir, die auf redaktionell betreuten Plattformen veröffentlicht werden statt nur in meinem Blog, als „wertvoller“ gelten, zeigen auch die Likes auf Facebook: „Ich bin im ‚Freitag‘ oder bei ‚Deutschlandradio Kultur'“, darüber FREUEN sich meine Freund*innen jedes Mal. „Ich habe gebloggt“, das interessiert die anderen Literaturblogger in meinem FB-Freundeskreis. Als wäre ich Musiker: „Ich habe einen Gig“ hat eine andere Wertigkeit als „Ich stehe heute wieder in der Fußgängerzone. Kommt vorbei!“ Die Musik ist die selbe. Aber den Hut will ich nicht offen halten.

Jan Drees

Ich bin Redakteur im Literaturressort des Deutschlandfunks und moderiere den „Büchermarkt“.

Im Jahr 2000 erschien mein Debütroman „Staring at the Sun“, 2007 folgte ein überarbeiteter Remix des Buchs. Im Jahr zuvor veröffentlichte der Eichborn-Verlag „Letzte Tage, jetzt“ als Roman und Hörbuch (eingelesen von Mirjam Weichselbraun). Es folgten mehrere Club-Lesetouren (mit DJ Christian Vorbau). 2011 erschien das illustrierte Sachbuch „Kassettendeck: Soundtrack einer Generation“, 2019 der Roman „Sandbergs Liebe“ bei Secession. Ich werde vertreten von der Agentur Marcel Hartges in München.

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3 Kommentare

  1. […] Germancia, pop-zeitschrift. Etliche Einladungen zu Vorträgen auf Fachkonferenzen, wie 2015 zur Feuilletontagung nach Graz und 2014 zu „Sounds, Klänge, Töne“ beim Max-Planck-Institut in […]

  2. Ist ganz großartig geworden, die bunte Gedankensammlung zum Thema Monetarisierung. Für mich kam ganz stark zum Vorschein, dass der Spaßfaktor und die Freiheit beim Schreiben für die Meisten im Vordergrund steht. Ich bin gespannt, wie sich dieses Thema entwickelt und wie wir die Frage in ein paar Jahren beantworten. Auch für mich ist der/das Blog nach wie vor eine Visitenkarte und meine persönliche virtuelle Gedankenbibliothek, die ich sehr liebgewonnen habe. Ich schätze es sehr, dass ich mit meinen Zeilen Menschen erreichen kann und dass ich bereits so viele Gleichgesinnte persönlich kennenlernen konnte. Das ist für mich „Vergütung“ genug.

  3. Eine Bloggerin erzählt mir: „ Literatur, ( die sie übrigens E-Literatur nennt,) ist viel zu sehr Nischenthema“, mit dem man kein Geld verdienen könne. Außerdem: käme Geld ins Spiel, begännen sofort die Zwänge. Solche will sie bei ihrem Bloggen nicht verspüren. Bloggen ist für sie Free-Style. Andererseits versteht sie ihre Blogs als ihre Visitenkarte, sagt sie, ohne die Zwänge zu erwähnen, die doch gerade bei einer Visitenkarte sehr deutlich zum Vorschein kommen. Ständig muss man in den Spiegel schauen, ob man augenblicklich noch so aussieht und schreibt, wie man nach außen hin im Blog erscheinen will. Ist das nicht auch ein Kreuz?
    Ein anderer Blogger sagt mir, dass ein Problem des Literaturblogs das Entertainment sei. „Unter den Literaturbloggern dürften sich nur wenige geborene Entertainer finden, dafür weit mehr Talente zum Dozieren. Doch wer als Blogger erfolgreich sein will, muss primär unterhalten können, muss überraschend und amüsant sein, nicht belehrend und idealerweise telegen. – Die Ausnahme des „unterhaltsamen Dozenten“ kann es geben. Ein paar Literatur-Blogger könnten über Videoformate und ihren persönlichen Stil so unterhaltsam sein, dass sie eine ausreichend große Fangemeinde aufbauen, die ihnen diverse Einnahmen ermöglicht. „ Die Literatur müsste als Blog also in das Glitzer-Format Entertainment eingebunden werden. Oder die Blogger müssten sich als Spaßverkäufer coachen lassen. Nein, der Kulturraum sei für Literaturblogs viel zu eng, sagt dieser Blogger Brasch. Im Englischen wäre das eher möglich, mit Blogs Geld zu verdienen. Doch auch unter englischen Blogs sei das bisher selten. Auch ihm dient der Blog also einzig als Visitenkarte, „um sich in der Literaturbranche für manch honorierte Aufgabe zu empfehlen“.
    Der Blog ist also eine Passform der Werbebranche. Ich ahnte das schon, gerade weil ich seit langem mein Augenmerk auf die Übergänge richte, zwischen Medienjargon und Werbespeech. Auch in jene seriöse Firmen, die ständig ihre sog. Kommunikation hochalten, dringt unversehens viel semantischer Abfall aus jener Speech ein. Ich gebe ein Beispiel, soeben kündigt mir der Zsolnay Verlag eine ungeheuer schöne Autorin an, die auf dem Foto, mit der Hand schreibend, sogar noch raucht. Gut, sie ist 2003 bereits gestorben, und konnte sich zuletzt an das Rauchertabu von heute nicht mehr gewöhnen, wahrscheinlich. Aber ihr autobiografischer Roman trägt dafür den topaktuellen Titel: „ Ich bin eine freie Frau“. Klingt das nicht irre zeitlos? Und sie hat es anscheinend geschafft. Das hören, außer dem Neid vielleicht, alle Menschen gerne. Ein Menschheitsziel. Der Verlag behauptet nun auch noch: Der Text sei ein Text, „ der durch seine stilistische Brillanz ebenso besticht wie durch absolute Klarheit und Ehrlichkeit.“ Damit ist alles gesagt, man braucht das Buch kaum noch zu lesen, denn welche Kleinigkeit in dem Buch könnte es mit dieser Aussage, diesem dreifachen Rittberger der Klarheit, der Brillanz und der Ehrlichkeit noch aufnehmen? Aber vielleicht? – fällt mir gerade ein: Für die BRIGITTE könnte ich einen Blog schreiben, in dem ich (unter weiblichem Pseudonym natürlich) diese Hammerqualität eines Buches direkt in die Geschichte der allgemeinen Frauenbefreiung einordne und ganz oben, ganz hoch bewerte. Dann hätte ich einen Literaturblog verkauft und nicht nur als Visitenkarte missbraucht. Aber lohnt sich der Aufwand in weiblicher Tarnung in die BRIGITTE einzubrechen? Ich geh mal nachsehen, was die für 200 Zeilen etwa bezahlen.

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