Was ist Ernährung? Die Kochbücher sind sich uneins und schwanken zwischen Sattmachern, Nationalkunst, Lebensgefühl, Ökologie und im Falle Attila Hildmanns kommt noch der Challenge-Gedanke hinzu.
Gibt es eigentlich diese schlimme Zeitschrift „Fit for Fun“ noch, die auf antiseptische wie schmierige Weise Körperkult und Sex zusammengeführt hat? Attila Hildmann wirkt wie einer dieser Pick-Up-Artists (sagt eine vegan lebende Freundin), dem es scheinbar weniger um die Zubereitung von Mahlzeiten, als um die Inszenierung seines „modellathletischen“ Körpers geht. Möglicherweise wirkt dieses „Kochbuch“ gerade deshalb verwirrend auf mich, weil Attila Hildmann gleich sechsmal halbnackt abgebildet ist – einmal sogar mit Maßband um den Bauch gewickelt.
Ich kann verstehen, dass ethische Bedenken einen Menschen zum Veganer werden lassen. Diesem 30-Tage-Challenge wohnt jedoch ein anderer Beweggrund inne. Es geht um Körperkult. In einem Beiheft werden 40 Teilnehmer mit Vorher-nachher-Fotos abgelichtet. Zu den vielen Rezepten kommen Sportübungen, Motivationshilfen und gewitzte Sätze. Hier die schönsten: „Immer überprüfen, wo man steht!“ – „Diskutiere nicht mit Dir!“ – „Don’t waste your life!“ – „Dein Leben ist ein Game – drück auf „PLAY“!“ Was soll man dazu sagen? Kann mit diesem Menschen diskutiert werden? Was halten wir von Bildern, auf denen normalgewichtige Frauen abgelichtet sind – und danach das eher untergewichtige Ergebnis nach der Attila-Hildmann-Diät? Was macht man als Tofu-Hasser und Nuss-Allergiker (wie ich) mit diesen Rezepten, die nahezu ausschließlich mit Tofu und Nüssen daherkommen?
Ich habe es mit Auberginenröllchen probiert, die im Backofen gebräunt werden, mit Guacamole gefüllt und auf einer kalten Tomatensauce angerichtet werden. Das war lecker, einfach, preiswert. Sogar joggen war ich vorher. Aber ich hoffe, mich nicht wie Attila Hildmann zu gerieren, ein Fitnessfreak, der Praktiken der Selbstoptimierung nutzt, um seine Bauchmuskeln in die Kamera halten zu können. Es mag unfair klingen, zumal der Typ echte Fans benennen kann, die sich von seiner eher schlichten Fit fot Fun-Vision beeinflussen lassen.
Aber vielleicht muss jeder selbst entscheiden, weshalb ich das Video eingebettet habe, bei dem gerade ein Nutzerkommentar besonders schön ist, nämlich der von carbTheVeganUp: „Ich schätze 70-80 % der Kalorien kommen von Fett, eher mehr…..1-2 mal im Jahr kann man das aber essen ;)“ – wir reden hier über ein Gemüsesüppchen! Wer ein Kochbuch sucht, wird an „Vegan for Fit“ wenig Freude haben. Wer Spaß am Essen behalten möchte, wird sich ebenfalls abwenden. Wer dagegen auf nackte Männerkörper steht und 29,95 Euro lieber in eine vegane Bibel statt drei Bände der Suhrkamp-Taschenbuchbibliothek investiert, der ist hier bestimmt richtig (möglicherweise jedoch falsch auf meinem Blog).
[…] Nach der Veganpleite mit Attila Hildmann gab es einen Tag später Köfte aus Lamm-Rinder-Hack, das mir der türkische Metzger extra liebevoll durch den Fleischwolf gedreht hat, außerdem Tabuleh (Petersiliensalat mit Minze und Bulgur), Hummus, Fladenbrot und dazu ein Glas Ayran. Das Rezept kommt aus „Jerusalem – Das Kochbuch“. […]
Attila Hildmann ist auch peinlich, na klar, schade nur dass der Herr Rezensent nicht erkennen oder beschreiben will, welch‘ unfassbaren Erfolg Hildmann haben könnte: nämlich das vegane Wohlfühlen /Wohlbefinden in den Mainstream hinein zu tragen: auch Selbstdarsteller und Prolls haben ein Recht auf dieses Gefühl (übrigens nach zu hören auch auf einslive.de); sie werden und wurden allerdings bislang meistens nicht erreicht über die alternativen und meist missionarischen Weltverbesserer-Veganer aus der Kräutersparte….
Will sagen: klar, kann man „Vegan for Fit“ schnell und abtun, wie Jan Drees es tut aus der coolen Popkulturnische, ich finde aber, Hildmanns Ansatz hat einen zweiten und dritten Blick verdient.