Saddam Hussein lebt! Seine groteske Hinrichtung war ein Schwindel. Die Handykamerabilder mit den feiernden Zuschauern wurden gefälscht. Tatsächlich ist der Diktator mit Magier David Copperfiled untergetaucht – nur wohin?
Der „Governor of California“, ein ehemaliger Actionheld, hat diese brandheißen Informationen erhalten. Er will sofort handeln. Er will Saddam stellen. Er will unsterblich werden. Der Governor beauftragt Atlas (einen Sträfling und früheren Busenfreund Saddams) und den großmäuligen Kriegsheld Jackson. Das ungleiche Paar soll im Irak für Ordnung zu sorgen. Eine klare Mission für echte Teufelskerle. Aber den beiden ergeht es wie den Kameraden bei der zweiten Bagdadoffensive. Eine Menge läuft schief. Niemand hat mit drei geschäftstüchtigen Start-Up-Einheimischen gerechnet, die mit „Google Irak“ das große Geld abgreifen wollen, scheitern, in Geldnöte geraten und daraufhin die schnelle Zwei-Mann-Eingreiftruppe aus Kalifornien entführen. Muss der Governor jetzt persönlich intervenieren?
Das Hörspiel „Operation Nation“ überschreitet ebenso viele Genre- wie Geschmacksgrenzen. Aber es ist ein Ereignis. Die Brüder Thilo und Simon Gosejohann führen im WDR ihr abgefeiertes Underground-Filmprojekt „Operation Dance Sensation“ weiter und präsentieren erneut eine Hommage an 80er-Jahre-Actionblockbuster. Das Stück kommt pünktlich zum Revivalhoch. „Sylvester Stallone ist mit Rocky und Rambo wieder im Rennen“, erinnert Thilo Gosejohann, „Sprüche über Chuck Norris machen die Runde, und diese ganzen dämlichen Trashfilme von damals bekommen inzwischen etwas ernsthaft Rührendes. Dieser Nationalstolz zum Beispiel, der ist nur noch beschämend, aber auch unglaublich komisch.“
Deshalb ist der Moment gekommen, in dem altes Pathos in neue Gags recycled werden kann. Und die Geschwister Gosejohann sind die richtigen Unterhaltungs-Spezialisten für diesen Job an der Schnittstelle Trash/Comedy/Tragödie. Das heißt zunächst: Sie sind wesentlich geschicktere Jungs als ihre dusseligen Helden Atlas und Jackson, „die wir aber mit Begeisterung auch sprechen werden“ . So viel Spaß muss sein. Aber es ist vor allen Dingen die Ernte langjähriger Arbeit. Thilo, 1971 in Gütersloh geboren, hat Kamera und Dortmund studiert, um mit selbiger die später Comedyprojekte seines fünf Jahre jüngeren Brüders zu filmen. Simon hat sich in Formaten wie „Comedy Street“, „Elton vs. Simon“ und „Die Comedy-Falle“ einen Namen gemacht.
Die langjährige Arbeit an Kalauern, Kirmesquatsch und Hochkomik kommt „Operation Nation“ in jeder Minute zu Gute. „Wissen sie Jackson, ich hatte mir schon überlegt, die Todesstrafe abzuschaffen, aber nachdem ich Atlas kennengelernt habe, habe ich mir das noch mal anders überlegt.“ Aussagen wie die des dumm-dreisten, feisten Governors gibt es in jedem zweiten Actionfilm. Doch selten führt dieses seichte Gerede zu echten Lachern. Im Hörspiel zündet der Gag sofort. Warum? „Wir haben uns nicht auf ein Genre festgelegt“, sagt Thilo Gosejohann, „wir finden diese 80er-Jahre-Streifen auch nicht schlecht, wir wollen die nicht nur persiflieren, sondern ihnen auch huldigen. Das wechselt auch und das ergibt dieses Gefälle.“
Und es bildet, neben der blitzartigen Komik, auch die Relevanz. „Operation Nation“ ist eine brillante Mediensatire, die mit den Internetbildern unserer Gegenwart spielt, ein Hörspiel, das galant ein großes Thema stemmt. „Man muss sich nur die Hinrichtung von Saddam Hussein ansehen. Die verlangt, bei aller Tragik, nach Persiflage“, so Thilo Gosejohann, „ist doch alles da, die Typen mit ihren Mützen, die Handys, dazu der kahle Raum, der an eine Theaterbühne erinnert. Sowas ist perfekt, das wird immer wieder aufgegriffen werden, in den kommenden Jahren. Da bin ich mir sicher. Außerdem ist Saddam längst eine Popikone, eine Figur, die man immer wieder vom ernsten Sockel stoßen muss!“ Den Brüdern Gosejohann ist das gelungen: ein Popstück mit ordentlichem Agitprop-Drive, eine Groteske und Satire über Actionszenen der 1980er und über die Nachrichtenlage der letzten Jahre, über Krieg, Wahn und Gewalt – vollgepackt, unterhaltsam, rasant.
Thilo und Simon Gosejohann: „Operation Nation“, Regie: Leonhard Koppelmann, Produktion: WDR 2008/ca. 53’